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FC St. Pauli

Doch nicht die Deppen

 

Nachdem der FC St. Pauli in Düsseldorf nur unentschieden spielt, fürchtet unser Autor ein peinvolles Scheitern. Dann aber erlöst ihn der 1. FC Nürnberg.

Mit diesem Freitagabendspiel sollte ich sehr lange nicht fertigwerden. Genau genommen war die Partie in meinem Kopf erst am Samstagnachmittag durch, und ich konnte den Rest des Wochenendes halbwegs entspannt verbringen. So lange haderte ich. Aus guten Gründen.

Fangen wir mit Freitag an. Die Partie gegen den Abstiegskandidaten Düsseldorf ist fünf Minuten alt, schon sind wir im Rückstand. Eine ganze Halbzeit lang kommt der FC nicht in das Spiel rein, eine zähe, lasche Veranstaltung, fehlende Körperspannung, ungenaues Aufbauspiel. Düsseldorf dagegen hat mehrere Möglichkeiten, den Score zu erhöhen. So ist in der Halbzeitpause der positivste Befund, dass es nur 1:0 steht, und der bewegendste Augenblick jener, als über die Lautsprecher des Knust, wo ich das Spiel auf einer Leinwand verfolge, bereits zum dritten Mal an diesem Abend Purple Rain eingespielt wird. Trauriger Tod des Prinzen, denke ich. Und hoffe, dass nun alles besser wird.

Es wird. Buballa macht Dampf über links, Sobiech wird gefährlich. Picault beginnt zu tanzen – und in der 71. Minute trifft er. Von diesem Moment an bin ich überzeugt, dass St. Pauli mit drei Punkten aus Düsseldorf nach Hamburg zurückkehren wird. Genauso bin ich überzeugt, dass Union Berlin am Tag danach Nürnberg schlagen wird. Der FC St. Pauli könnte als Viertplatzierter noch den Drittplatzierten angreifen. Der Kampf um den Relegationsplatz wird noch einmal offen sein!

Aus diesem Grund will ich nicht wieder Purple Rain hören, sondern Song 2. Dieses Lied wird im Knust wie im Stadion eingespielt, wenn wir ein Tor schießen. Mindestens einmal noch Song 2, bitte, Jungs! Neben mir rutscht Klaus nervös auf dem Holzbänklein herum. Da bemerke ich, dass ich noch aufgeregter bin. Das ganze Papier an der Flensflasche ist schon ab, nervös mit den Fingernägeln weggezuppelt und gekratzt. Wenn tags darauf Nürnberg verlieren wird, und wir es in Düsseldorf aber versemmelt haben: Ich würde mich wahnsinnig ärgern, denke ich. Es bedeutete, dass wir die letzte Aufstiegschance gegen den möglichen Absteiger Fortuna liegen gelassen hätten. Da kein Papier mehr an der Flasche klebt, beginne ich präventiv, mir die Haare zu raufen.

Es bleibt beim Unentschieden in Düsseldorf, nach guter Leistung in der zweiten Halbzeit. Das war es mit dem Relegationsspiel um die erste Liga. Was soll ich nun am Samstag hoffen: Dass Nürnberg verliert, und ich mich als leidenslüsterner Mensch richtig ärgern kann, weil wir es nicht geschafft haben, den Abstand mit drei Punkten zu verkürzen? Oder dass Nürnberg gewinnt, und endlich alles entschieden ist? Herrlich entspannte letzte Spiele würde dies bedeuten, sich freuen auf die nächste Saison.

Wechseln wir zum nächsten Schauplatz: Samstagnachmittag. Ich sitze im Büro, arbeite an einem Text und lasse dabei den Live-Ticker laufen. Es ist Viertel nach zwei. Union führt zur Halbzeit mit 2:0. Unter meiner Schädeldecke raucht der Ärger grenzenlos. Kein Sonnenstrahl, der durch das Fenster am Speersort hereinlugt, kann meine Stimmung aufbessern. Union wird den Club schlagen. Und wir haben’s gestern verpasst. „Wir Deppen!“, denke ich, mit akutem Frust.

Sechs Nürnberger Tore in 45 Minuten ändern dann aber wieder alles. Ein fränkisches Sperrfeuer dimmt die Wut. Ich brauche mich nun doch nicht mehr zu ärgern. Ich summe, melancholisch gestimmt, Purple Rain und haue in die Tasten.