St.-Pauli-Coach Ewald Lienen überlässt seinem Assistenten den Cheftrainerstuhl. Das ist schade. Und zeigt doch: Der Verein will jetzt nach oben. Alles wird gut.
Am Sonntag in Bochum ließ unser Ewald Lienen in der zweiten Halbzeit noch einmal zeitgerafft die Rückrunde spielen. Zugegeben, besonders filigran sah die Fußballkunst nicht aus, die seine Spieler auf dem Rasen boten. Aber es war (neben der Freude, endlich Lennart Thy wieder beim Toreschießen zusehen zu können) ein zielstrebiger Marsch zum 1:3 – nach schwachem Start, nach bedrohlichem Rückstand.
Also noch einmal eine ewaldsche Wende. Es ist das Markenzeichen überhaupt von Lienens Trainerkarriere beim FC St. Pauli, und zwar kurz-, mittel- oder langfristig. Kurzfristig: Seine Pausenansprachen lösten in vielen Partien auf der kurzen Distanz den Knoten. Die zweiten Halbzeiten belegten, wie groß der Einfluss des Trainers war.
Mit einer mittelfristigen Wende hatte alles angefangen. Als er im Dezember 2014 am Millerntor übernahm, stand die Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz – die Saison endete mit dem Klassenerhalt. Genauso in der abgelaufenen Saison. Nach der Hinrunde hockten wir mit kläglichen elf Pünktchen auf dem letzten Rang. Doch dann kletterten wir gefühlt mit jedem Spieltag einen Platz nach oben. 34 Punkte: Unter Lienen und seinem Assistenten Janßen spielte der FC St. Pauli die erfolgreichste Rückrunde der Clubgeschichte. In der Abschlusstabelle sind wir Siebter.
Und nun hört er auf, zumindest als Trainer. Ewald Lienen gibt künftig den Technischen Direktor. Statt der ersten Mannschaft coacht er die Nachwuchstrainer, er soll die Sponsoren tätscheln und als eine Art Wertebotschafter des Vereins fungieren.
Bisschen schade, Ewald! Vielleicht drehst du wenigstens ab und an noch ein paar Runden vor und nach dem Spiel durchs Stadion. Als Maskottchen bleibst du uns mit der neuen Lösung auf jeden Fall erhalten.
Auch wenn der Trainer nicht mehr Lienen heißt, gibt’s Grund zum Optimismus zuhauf. Denn die Neupositionierung verspricht die Fortsetzung einer Wende auf lange Sicht. Mit Olaf Janßen als neuem Boss neben dem Platz steht einer da, der als Assistent seit seiner ersten Woche in Hamburg Wirkung zeigt. Janßen ist hochgradig kompetent. Mit seiner Art passt er genauso zu St. Pauli wie Lienen. Wie Şahin, wie Heerwagen, wie Sobiech und andere Leistungsträger.
Wie Mats Møller Dæhli. Ja, der ist nur geliehen. Aber die Tatsache, dass der vom SC Freiburg geliehene Ballkünstler kurzerhand um ein Jahr verlängert hat, ist trotzdem ein gutes Signal. Møller Dæhli hat wie Janßen neben dem Platz von der ersten Spielminute an Wirkung gezeigt. Dass einer wie er einfach mal bei uns bleibt und am Millerntor weiterspielen will, weil es ihm so gut gefällt, verspricht nichts weniger als einen anderen Sommer.
Wie oft nämlich haben wir es erlebt, dass im Juni die Erosion einsetzte. Wer nicht aufsteigt, den verlassen die Besten. Das wird sich in diesem Jahr nicht wiederholen. Der Verein will nach oben, das wird in diesen Tagen mit fast jeder Meldung offensichtlich: Er kauft Cenk Şahin. Er bekommt einen Stürmer wie Sami Allagui. Er behält Ewald Lienen.