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FC St. Pauli

Bitte keine Gegner auf der Südtribüne

 

Der FC St. Pauli verliert gegen Union Berlin. Damit enden zwei Serien. Eine neue, abseits des Rasens, hat dagegen begonnen.

Wer am Freitag auf der Gegengeraden stand, brauchte beim Anblick der Südkurve eine Schweißerbrille, um nicht geblendet die Anfangsphase des Spiels zu übersehen. So schön hell wie noch nie illuminierten die Ultras pyrotechnisch das Millerntor vor dem Spiel; man hätte sich die Stadionbeleuchtung sparen können. Und umgehend fragten wir uns zwei Dinge: Erstens natürlich, was das wieder kosten würde – vermutlich 20.000 Euro. Und zweitens: Ob die Lichtshow ein Vorgeschmack auf die bevorstehende Soliparty am Samstagabend im Centro Sociale sein sollte. Da wollte man Kohle sammeln für die Braun-Weiße Hilfe. Diese Organisation unterstützt Fans, denen infolge eines Stadionverbots der Genuss st.-paulianischer Fußballkultur vorenthalten bleibt.

Nach dem hübschen Intro ging es in der Partie darum, ob zwei Serien anhalten würden. Wir dürfen vorweg nehmen: Sie taten es beide nicht. Wir hatten fünf Spiele lang nicht verloren, Union Berlin noch nie am Millerntor gewonnen. Am Ende stand es 1:2. Nach großartigem Spiel. Ein leider verdienter Sieg der Gäste.

Unsere Jungs jedoch hatten auch gut Tempo gemacht. In der achten Minute flankte Aziz Bouhaddouz auf Mats Møller Dæhli – dessen Kopfball prallte gegen den Gegner, der Nachschuss von Cehnk Şahin landete Zentimeter neben dem Pfosten. Ein paar Minuten später ließ erneut Şahin im Strafraum zwei Abwehrspieler alt aussehen, den fast sicheren Führungstreffer verhinderte jedoch ein Berliner Bein, das den Schuss im letzten Moment abfälschte.

Pyroshow am Anfang des Spiels (c) Urs Willmann

Einsatz und Zusammenspiel unserer Mannschaft waren lobenswert, sogar noch besser als in den ohnehin guten letzten Spielen. Teils wegen dummer Zufälle, manchmal auch benachteiligt durch Entscheidungen der Unparteiischen, gewann unser Team jedoch nicht die Oberhand. Mehr Glück hatten die Gäste. Einwurf, langer Ball in den Strafraum, Sebastian Polter (Union) und Daniel Buballa (St. Pauli) bewegen sich nebeneinander und von Schulter oder Rücken unseres Verteidigers sprang der Ball auf den rechten Oberschenkel des gegnerischen Angreifers. Der haute beim Versuch, den Ball mit dem Fuß zu schießen, voll daneben, aber sein Knie-Stupser reichte dem Spielgerät, um an Philipp Heerwagen vorbei ins Tor zu kullern. Es war eindeutig mehr Slapstick als Rasensportkunst, was Union die Führung bescherte.

In der zweiten Hälfte rettete erst der Berliner Torhüter spektakulär gegen Jeremy Dudziak. Und dann fiel anstelle des Ausgleichs auf der Gegenseite ein zweiter, erneut kurioser Treffer: Der Unioner Damir Kreilach köpfte und beförderte den gefühlt halb so großen Dudziak gleich zusammen mit dem Ball ins Tor.

Trotz Zweitore-Rückstand spielten wir gut weiter. Nach dem Anschlusstreffer von Bouhaddouz in der 83. Minute wurde es besonders laut im Stadion. Sogar ein paar Bierbecher unternahmen angesichts der gehobenen Stimmung einen Ausflug gen Flutlichthimmel. Für die Rettung der Serien aber reichte es trotz einer starken letzten Viertelstunde nicht mehr.

Abseits des Rasens aber hat eine neue Serie begonnen. Es geht um den Umgang mit Gästefans. Die Anfänge einer seltsamen Entwicklung zeigten sich erstmals vor Wochen, als angereiste Fans aus  Stuttgart von der Südkurve verwiesen werden sollten, nachdem sie ein Tor ihrer Mannschaft überschwänglich bejubelt hatten. Beim letzten Auswärtsspiel waren dann unsere Offiziellen an der Reihe. Sie wurden in München aufgefordert, St.-Pauli-Tore doch bitte nicht in Reichweite des Löwen-Investors zu feiern.

Gab es nun am Freitag kreative, ironische Reaktionen oder Proteste dagegen? Fehlanzeige. Stattdessen wies der FC St. Pauli schon im Vorfeld „alle Gästefans, die Karten auf der Südtribüne erworben haben, darauf hin, dass das Tragen von Fankleidung nicht gestattet ist“. Gleiches galt dort für das „Mitführen von Fanutensilien wie Fahnen, Bannern oder Doppelhaltern“.

Für den offiziellen Gästeblock galt das natürlich nicht. Trotzdem ein seltsames Zeichen, nachdem der Sportchef Andreas Rettig das intolerante Verhalten von 1860 München öffentlich kritisierte. Es ist schade, dass ausgerechnet bei uns freundschaftliche Beziehungen zu Supportern anderer Clubs nun schon durch Anweisungen „von oben“ erschwert werden.

Schöner wären wieder mehr Fanfreundschaften und gemeinsame Aktionen verschiedener Clubs für eine Sache. Zum Beispiel, um mit dem brennend aktuellen Thema des Anfangs voranzukommen (und um 20.000 Euro zu sparen): für die schrittweise Legalisierung von Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien.