Der FC St. Pauli zieht in die zweite Runde des DFB-Pokals ein und man könnte meinen: Pflichtaufgabe erfüllt. Die Art, wie die Tore fielen, verdient aber mehr Anerkennung.
Ich habe das Spiel nicht an der berüchtigten Lohmühle gesehen, sondern in einer Sportkneipe die Straße hinunter. Dort traf ich am Tresen auf die Stammbesetzung. Darunter auch einen Sportreporter, der vom Anpfiff an das Spiel des FC St. Pauli gegen den VfB Lübeck mit einer nicht enden wollenden Kette von Superlativen begleitete. Eine schlechtere Passquote hätte er bei einer Mannschaft in Braun-Weiß noch nie gesehen, sagte er beispielsweise anfangs. Und in der Tat: Die Favoriten aus Hamburg spielten in der ersten Runde des DFB-Pokals beim Regionalligisten sehr nervös auf. Kaum ein Pass kam an. Zum Glück galt das aber auch für den Gegner.
Dann stolperte der quirlige, aber wenig durchsetzungsstarke Jeremy Dudziak am rechten Lübecker Strafraumeck über seine eigenen Füße, so schien es wenigstens. Der Schiedsrichter allerdings sah das anders: ein Pfiff, Freistoß. Der Sportreporter schien nun zu vergessen, dass er sich in einer Kneipe und nicht in der Moderatorenkabine befand: „Haha“, rief er, „den haben die aber ordentlich weggesenst. Hilft aber nix, denn St. Pauli kann keine Freistöße. Seit über zwei Jahren hat da keiner einen direkten versenkt.“ Und während er das sagte, nahm sich St. Paulis Neuzugang Vegar Hedenstad den Ball. Er lief an und hob ihn gefühl- und druckvoll über die Mauer ins Toreck.
Tor durch einen direkten Freistoß! Da war der Sportreporter kaum zu halten. Er gab eine Runde Kümmel aus. Es sollte an diesem Abend nicht der einzige bleiben, denn es folgte ein weiteres Tor nach einem Standard. Freistoß Buchtmann. Kopfball Gonther. Tor. Ausgerechnet Kapitän Sören Gonther, der Pechvogel vom vergangenen Ligaspiel, brachte dem FC St. Pauli mit seinem Treffer in der 61. Minute die nötige Stabilität.
„Nun spielt St. Pauli ganz im Sinne einer Spitzenmannschaft die Uhr stumpf herunter“, freute sich der Mann der Superlative. Als dann noch Marvin Ducksch in der 89. Spielminute, unmittelbar nach seiner Einwechslung, das 3:0 mit einem Traumtor erzielte, war die klitzekleine Sensation perfekt: Der FC St. Pauli gewinnt sein Auftaktspiel im DFB-Pokal. Keine Selbstverständlichkeit, auch wenn der Gegner zwei Klassen tiefer spielt. In den vergangenen 30 Jahren erreichte die Mannschaft nur 16 Mal die zweite Runde.
„Das nächste L bitte“, rief mir der Mann mit den Superlativen noch hinterher, als ich die Kneipe verließ. Eine Anlehnung an die legendäre Pokalsaison 2005/06, als St. Pauli lauter Mannschaften besiegte, die mit dem gleichen Buchstaben anfingen, mit B. Im Topf wären nach der ersten Runde Leverkusen und Lotte, das sensationell gegen Werder Bremen gewann. Wenn der Fußballgott Superlative so gerne hat wie mein Tresennachbar vom Freitag, kann das eine dolle Pokalsaison werden.