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FC St. Pauli

Hart, St.-Pauli-Fan zu sein

 

Kein Glück, keine Punkte: Der FC St. Pauli macht gegen Stuttgart weiter, wo er vor der Winterpause aufgehört hat. Und dann gab es auch noch ekelhafte Szenen.

Das Spiel am Sonntag gegen den VfB Stuttgart war ein Schaulaufen. Vor Anpfiff galt es, sich mit vielen neuen und einigen lange abwesenden Gesichtern vertraut zu machen. Trainer Ewald Lienen schickte im ersten Spiel nach der Winterpause eine annähernd runderneuerte Mannschaft auf den Rasen. Neben Lasse Sobiech stand der U23-Kicker Yi-Young Park in der Innenverteidigung und die neuen Mittelfeldkräfte Johannes Flum und Mats Møller Dæhli stellten sich uns vor. Später bekamen wir noch Jan-Marc Schneider (ebenfalls U23) vorgesetzt. Und ein bisschen neu fühlte sich auch Rückkehr-Stürmer Lennart Thy an: Mal schauen, wie sehr Bremen ihm geschadet hat.

Auch bei den Gegnern ein Wiedersehen. Daniel Ginczek kam als Schwabe zurück ans Millerntor. Und bei Kevin Großkreuz fühlte es sich so an, als begegne man einem alten, guten Bekannten, der seit der Weltmeisterschaft in Brasilien verschollen schien.

Sogar auf der Tribüne gab es eine Neuerung zu vermelden: In der Südkurve stand ein neuer Vorsänger auf dem Zaun. Er zeigte viel Einsatz. Das Gespür für das Spiel aber geht ihm noch ab. Wir sind gespannt, wie er sich in zwei Wochen präsentieren wird.

Auf die ersehnteste Neuerung im St.-Pauli-Spiel warten wir dagegen noch immer vergebens. Die Tormaschine tuckert weiterhin entfernt am Horizont, aber nicht in unserem Sturm. Mehr als Torumrandung (Sobotta) und Außennetz (Şahin, Buballa) traf unsere Schützentruppe wieder nicht. Die Punkteausbeute vom Sonntag entspricht daher exakt dem Ausmaß, das wir in der laufenden Saison als Tradition zu akzeptieren gelernt haben.

St. Paulis Daniel Bulballa (l) im Zweikampf mit Stuttgarts Jean Zimmer (c) Axel Heimken/dpa

Ein Unentschieden wäre gerecht gewesen. Torhüter Philipp Heerwagen und das Glück hielten die Null bis zur 84. Minute – dann aber schlenzte Stuttgarts Joker Mané einen astrein vorgetragenen Konter unhaltbar in den Winkel. Keine Chance für Heerwagen. Aber auch keine Chance, danach den Spielstand noch einmal zu verändern. Die Partie endete 0:1.

Das neue Jahr beginnt so schlecht, wie das alte viel zu lange war: Kein Glück plus Pech plus keine Punkte. Und am kommenden Sonntag erwartet uns die zum Aufstieg entschlossene Eintracht aus Braunschweig. Es ist wieder einmal hart, St.-Pauli-Fan zu sein. Und es fällt schwer, sich über Dinge zu freuen, die auf dem Resultateblatt des Schiedsrichters keine Spuren hinterlassen haben. Wir meinen damit: verbessertes Kurzpassspiel, mehr Kreativität aus dem Mittelfeld heraus, gute Ballkontrolle auf den Flügeln (zumindest eine Stunde lang).

Als in der 84. Minute der Ball hinter Heerwagen einschlug, machte sich Entsetzen breit. Und dann ereignete sich zu allem Elend auch noch Ekelhaftes. In den Schlussminuten wurde auf der Süd ein Grüppchen jubelnde Stuttgarter physisch angegriffen, mit einem Bierbecher beschmissen und von der Tribüne bepöbelt.

Im Älteren von uns beiden wecken solche Ereignisse unschöne Erinnerungen. Ich (Urs) stand im November 1979 als Fan der Zürcher Grasshopper im Stadion Hardturm. Uefa-Pokal gegen Stuttgart. Nach und nach wurden alle Zürcher Fans von gegnerischen Hooligans aus dem Sektor gedrängt. Ich war erst 15 und flüchtete als einer der Letzten. Ohne meine Fahne, ohne meine Mütze. Von Erwachsenen mit Schlagringen bedroht, musste ich klein beigeben. Immerhin konnte ein gemäßigter Stuttgart-Fan verhindern, dass ich verprügelt wurde.

Ich bin seither nie zum Freund des VfB geworden. Für Hass aber, wie er gestern von St. Paulianern den Schwaben entgegenschlug, hat meine Wut auch nie gereicht. Ich möchte das Verhalten (war Frust die Ursache?) der Südkurvler nicht kommentieren. Es spricht für sich.