Lesezeichen
‹ Alle Einträge
FC St. Pauli

Besuch der Ungehobelten

 

Gegen den VfL Bochum in Unterzahl hätte der FC St. Pauli gewinnen müssen. Erneut scheiterte die Mannschaft daran, gegen einen defensiven Gegner kreativ sein zu müssen.

Der Trainer der Bochumer ist nicht nur stets schlecht frisiert. Gertjan Verbeek ist ebenso konsequent mies gelaunt. Und im Anschluss an das 1:1 seiner Mannschaft präsentierte er am Samstag zusätzlich seine schäbigen Manieren. Minuten vor der Pressekonferenz setzte er sich auf den für Ewald Lienen reservierten Stuhl und weigerte sich, auf den Gästetrainerstuhl zu wechseln. Der Kollege möge halt nächstes Mal früher kommen, merkte er an. Dann diktierte er den Journalisten nur ein Kürzestresümee zum Spiel in die Notizblöcke: Seine Mannschaft habe es „super gemacht“. Sie sei schön „ruhig geblieben“. Er weigerte sich, eine Hinrundenbilanz für seine Mannschaft abzugeben, und war nicht bereit, auf ergänzende Journalistenfragen einzugehen: „Kein Kommentar.“

Dabei hätte man vom niederländischen Übungsleiter der Ruhrpöttler gerne erfahren, ob die Rüpelhaftigkeit seiner Akteure auf dem Platz einem Plan entsprungen war, einer weiterführenden Taktik. Ob es seiner Ansicht nach als typisches „Super-„Fußballhandwerk gelte, den Gegner vom Platz zu treten. Man hätte gerne mehr erfahren von diesem ungehobelten Trainer. Denn das überzogen aggressive Auftreten seiner Mannschaft hatte den FC St. Pauli zwei Punkte gekostet.

Fußball: 2. Bundesliga, FC St. Pauli - VfL Bochum, 17. Spieltag am 17.12.2016 im Millerntor-Stadion in Hamburg. Bochums Trainer Gertjan Verbeek betritt das Stadion. (Wichtiger Hinweis: Aufgrund der Akkreditierungsbestimmungen der DFL ist die Publikation und Weiterverwertung im Internet und in Online-Medien während des Spiels auf insgesamt fünfzehn Bilder pro Spiel begrenzt.) Foto: Axel Heimken/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Bochums Trainer Gertjan Verbeek (c) dpa

Das Unentschieden war zu wenig. Daran sind wir zum einen selber schuld. Unser Team schaffte es trotz eines frühen Platzverweises nicht, gegen ein spielerisch limitiertes, kaum zweitligawürdiges Bochum in Unterzahl mehr Zählbares als den Ausgleich zustande zu bringen. Die Partie offenbarte erneut schlimme Defizite, wenn es darum ging, dem Gegner mit kreativen Mitteln ein Spiel aufzuzwingen. Unsere Akteure bissen sich aber auch an einer sehr fragwürdigen Bochumer Destruktivtaktik die Zähne aus: Ryō Miyaichi wurde in der ersten Halbzeit mit einem Kung-Fu-Tritt gegen den Kopf von den Beinen geholt (dafür gab es immerhin Rot), und in der zweiten Halbzeit sensten die Gäste gefühlt jeden Kiezkicker um, der im Mittelfeld den Ball länger als zwei Sekunden am Fuß führte.

Es war ein unansehnliches Spiel mit viel Hektik, gefährlicher taktischer Härte, unschönen Szenen. Das negative Highlight erlebte Daniel Buballa. Der 26-Jährige verlor nach einem (unabsichtlichen) Zusammenstoß mit dem Gästekeeper das Bewusstsein, verschluckte die Zunge und landete mit Schädel-Hirn-Trauma im Krankenhaus,

Als Bilanz könnte man von einem perfekt passenden Vorrundenabschluss sprechen: zu wenige Punkte, verletzte Spieler, und nach dem Abpfiff der frustrierende Blick auf den untersten Tabellenplatz.

Da beim letzten Spiel vor Weihnachten die Stimmung am Millerntor in jedem Jahr betont festlich ist, gedieh auch das Verabschieden in die Winterpause extrem typisch. Trotz mieser Vorrunde, trotz schlechten Spiels: freundliches Klatschen für unsere Schlusslichttruppe.

Kann man diese mittlerweile fast gespenstisch gewordene Milde der St.-Pauli-Fans noch verstehen? Noch gutheißen? Ja, wenn man bedenkt, dass sich die Gegner im Abstiegskampf noch immer in Schlagdistanz tummeln. Nein, wenn die sportliche Führung die Freundlichkeit der eigenen Fans zum Anlass nimmt, in der Winterpause nichts zu unternehmen.

Hinweis der Redaktion: Die HSV-Kolumne Sergejs Erben zum vergangenen Spieltag muss leider ausfallen, da unser Autor Aimen Abdulaziz-Said verhindert ist.