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Sludge

Mehr Phlegma geht nicht

 

Am Sonntag hat Hamburg ziemlich gebrummt. Das lag am Sludge der US-Band Red Fang. Was Sludge ist? Das hat etwas mit 1970er-Jahre-Rock’n’Roll zu tun. Lesen Sie selbst.

Karohemden, Brillen, Wollmützen oder Baseballcaps: Wenn auf einem Konzert jede Menge Typen aussehen, als würden sie ihren Urlaub von der Werbeagentur gern mal dazu nutzen, einen Truck durch die USA zu fahren – dann haben wir es wahrscheinlich mit einem Sludge– oder Stoner-Rock-Event zu tun. Röhrender Bass, tiefe Gitarren, Gesang zwischen Genöle und Geschrei, dazu manchmal ganz schön abgefahrene Rhythmen; das zeichnet diese Musikrichtungen aus. Es klingt nach staubigem Ödland.

Also auf in die Markthalle zu Red Fang aus Oregon, USA. Huch, ist das alles neu hier! In der Sommerpause wurde gründlich renoviert und von den Toiletten bis zur Bar erstrahlt einiges in neuem Glanz. Ihren Charme hat die ehrwürdige Konzertlocation dabei zum Glück nicht eingebüßt.

Bloß keine Hektik an diesem Sonntagabend. Zwei Bands eröffnen für Red Fang und lassen sich damit gebührend Zeit. The Moth aus Hamburg bestehen aus drei Leuten und es klingt, als würde jede(r) davon Bass spielen. Spektakulär ist das nicht, will es sicher auch gar nicht sein. Als Anheizer machen die Lokalmatadoren ihre Sache in der noch nicht allzu stark gefüllten Halle ganz ordentlich.

Aufregender wird es bei Torche. Nicht nur, dass der dröhnige Sound der vier Jungs aus Florida durch ungewöhnlich hohe Gesänge aufgefrischt wird, die Band ist außerdem nicht auf den Mund gefallen. „Wir sind hier um euer Bier zu rauchen und euer Gras zu trinken“, lässt der schnauzbärtige Sänger Hamburg wissen. Im Verlauf ihres Sets demonstrieren Torche immer wieder, dass sehr fähige Musiker in ihnen stecken – so lässig das auch alles aussieht.

Der Headliner ist dann so gegen zehn Uhr am Start. Da sind sie wieder, die vier Typen, die womöglich eines späten Abends in Oregon aus einer Kneipe herausgefegt wurden und jemand sagte, „Ich habe ein paar Instrumente zu Hause“, ein zweiter „Stark, ich habe noch ’ne Palette Dosenbier“ und ein anderer „Will jemand mal ziehen?“ So ähnlich kann man sich die Entstehungsgeschichte dieser Truppe vorstellen. Ausgesprochen genügsam und zufrieden mit dem, was sie da machen, sehen die Herren aus. Brille und Kaugummi als Sänger? Jo, geht klar.

Trotz des brandneuen Albums Only Ghosts eröffnen Red Fang mit Wires den Reigen, allein durch sein zum Brüllen komisches Musikvideo, ein Klassiker der Band. Der Saal ist inzwischen gut gefüllt, nicht ausverkauft, aber Lücken finden sich kaum. Ohne viel Show spielen sich die vier durch ihr Set, schicken hier und da mal ein paar Grußworte an die Karohemdenträger im Publikum.

Neues Album hin oder her, die Masse erfreut sich an jedem der schwergewichtigen Songs. Erkennbar ist, dass jene Nummern mehr gefeiert werden, zu denen Red Fang eines ihrer berühmten Videos abgeliefert haben, da gibt es auch schon mal einen Crowdsurfer. Ansonsten beschränkt man sich aufs rhythmische Mitwippen, was bei Neun-Achtel-Takten manchmal eine Herausforderung ist. Red Fang klingen ein bisschen so, als hätte jemand ziemlich doll auf 1970er-Rock’n’Roll herumgedrückt, bis alles ein platter Brei ist. Der Sound brummt dabei astrein, und selbst wenn man nicht jeden einzelnen Ton hört, spürt man ihn doch durch den Fußboden. Ist halt so bei Sludge.