Erst der Sieg in Hannover, dann die Niederlage gegen Darmstadt. Warum verliert der HSV immer dann, wenn es gerade gut zu laufen scheint?
Nachlegen. Das ist der Begriff, der gerne gebraucht wird, wenn eine Mannschaft einmal erfolgreich war und es abermals sein müsste. Ein Sieg allein zählt noch nicht viel, es braucht einen weiteren. Das Fußballgeschäft lebt von Serien. Sie sorgen dafür, dass Sportreporter positiv berichten, sie geben den Spielern Selbstvertrauen. Beim HSV gehört dieses Wort auf den Index.
Immer dann, wenn man denkt, der Club müsste nachlegen, verliert er. Das sorgt zusehends für Unmut, wie die selbst für HSV-Verhältnisse außergwöhnlich vielen Pfiffe zeigen, mit denen die Fans ihre Mannschaft am Samstagnachmittag bedachten. Eine Woche davor: ein 3:0-Erfolg bei Hannover 96. Jetzt: eine 1:2-Niederlage gegen Darmstadt 98. Gegen eine Mannschaft, die ebenfalls abstiegsgefährdet ist! Im eigenen Stadion! Warum findet der HSV keine Konstanz?
Liegt es daran, dass Bruno Labbadia zu viel an der Auftstellung experimentiert? Wohl kaum. Es ist viel mehr einer seiner größten Verdienste, der Mannschaft das zu geben, was man gerne ein Gerüst nennt: Spieler wie René Adler, Emir Spahić oder Lewis Holtby spielen immer, es sei denn, sie sind verletzt oder gesperrt. Ist das Team nach einem erfolgreichen Spiel zu überheblich? Eher nicht. Dem einen oder anderen würde man es sicherlich zutrauen, allgemein tritt der HSV diese Saison aber nahezu immer so auf, wie man es von einer mittelmäßigen Manschaft der 1. Bundesliga erwarten darf: wohl geordnet und kämpfend.
Dass der HSV trotzdem nicht nachlegt, könnte daran liegen, dass ihm ein Spieler fehlt, der in der Offensive die Verantwortung übernimmt. Und zwar nicht im Sturm, sondern im Mittelfeld. Es wird in letzter Zeit viel geredet über die Abschlussschwäche von Pierre-Michel Lasogga (6 Tore), Artjoms Rudņevs (2 Tore) und Sven Schipplock (0 Tore). Und es stimmt ja auch, sie sind tatsächlich nicht gerade treffsicher.
Das eigentliche Problem aber ist, dass der HSV keinen zentralen Mittelfeldspieler hat, der diese Stürmer einsetzt, der das Spiel zuverlässig leitet und selbst konstant torgefährlich ist. Einen, der technisch stark und ein wenig egoistisch ist. Besonders deutlich wird das, wenn der HSV gegen eine Mannschaft antritt, die ein Fußballspiel so vehement dekonstruiert wie Darmstadt 98.
Holtby? Kann gut den Ball sichern, Pirouetten drehen und Kurzpässe spielen. Nicolai Müller? Schnell und auf dem Flügel am besten. Michael Gregoritsch? Könnte, aber noch zu wechselhaft. Der Mann, der diese Rolle ausfüllen müsste, ist Aaron Hunt. Der 29-Jährige, vor der Saison aus Wolfsburg nach Hamburg gewechselt, ist aber bislang, wenn er denn mal nicht verletzt ist, zu lethargisch.
Normalerweise berichtet Aimen Abdulaziz-Said in der Kolumne „Sergejs Erben“ über die Spiele des HSV. Er war am vergangenen Wochenende allerdings verhindert.