Es gibt kaum ein Thema in der Hamburger Bildungspolitik, das so aufgeregt diskutiert wird wie die Frage G8 oder G9 an den Gymnasien. Ich finde diese Aufregung absurd. Wir sollten uns über die Ausstattung der Schulen streiten, für mehr Lehrer kämpfen, aber die Anzahl der Schuljahre ist nun wirklich ein Problem, das gelöst wurde.
Im Kern geht es natürlich überhaupt nicht um Bildung bei der Auseinandersetzung um G8 und G9, sondern um Standesdenken. Es geht auch nicht um das Wohl des Kindes, sondern um das der Eltern. Unser Schulsystem stammt, wie so vieles, noch aus dem 19. Jahrhundert und gerade das Gymnasium als Institution symbolisiert mehr als andere den Anspruch, eine Schule für die Kinder aus besserem Hause zu sein. Da muss man sich gar nichts vormachen, die Stadtteilschule ist genauso stigmatisiert wie die Haupt- und Realschule es früher waren. Wer das Beste für seine Kinder will, der schickt sie zum Gymnasium, so jedenfalls ist die landläufige Meinung.
Wenn jetzt G8 für einige Kinder zu anstrengend ist, dann ist die logische Konsequenz vieler Eltern nicht, das eigene Kind auf eine Stadtteilschule zu geben, damit dort mit G9 das Abitur erreicht werden kann, sondern dann soll bitteschön das Gymnasium auch diesen Ansprüchen genügen.
Ich komme aus dem Lauenburgischen und bin auf die Lauenburgische Gelehrtenschule in Ratzeburg gegangen. Dort war es üblich, dass Schüler, die mit dem Gymnasium nicht zurecht kamen, nach Hamburg aufs Gymnasium geschickt wurden. „Dort schafft es jeder!“, hieß es bei uns immer.
„Hauptsache Gymnasium!“ ist immer noch der Herzenswunsch vieler Eltern und das hat auch mit Zukunftschancen zu tun, vor allem aber eben mit Standesdünkel und Besitzstandswahrung. Mir ist es ehrlich gesagt völlig egal, ob für das Gymnasium G8 oder G9 gilt, mir ist es viel wichtiger, dass Schulpolitik sich langfristig orientiert und nicht jedes Jahr wieder engagierte Eltern eine Sau durchs Dorf treiben wollen, damit die Brut Nachmittags mehr Zeit für Japanisch, Reiten oder Ballett hat. Man kann auch mit einem vollen Stundenplan nachmittags noch Zeit für Aktivitäten haben, aber vielleicht bietet G8 einen geeigneten Anlass, darüber nachzudenken, wie vollgepackt die Nachmittage unserer Kinder wirklich sein sollten.
Wenn allerdings auch die Gymnasien wieder auf G9 umschwenken sollten, dann wird damit die Existenz der Stadtteilschulen in Frage gestellt, was folgerichtig zur Diskussion führen sollte, warum wir nicht endlich die alten Zöpfe aus der Bismarck-Zeit abschneiden und für alle Kinder eine weiterführende Schule anbieten, die so ausgestattet ist, dass sie den Vorlieben, aber auch den Bedürfnissen der Kinder entspricht. Das fände ich sehr vernünftig, denn dann könnte man auch endlich mal die Stundenpläne entschlacken, eine Programmiersprache als zweite Fremdsprache einführen, hätte mehr Auswahl bei den AGs, und und und.
Ach, darum geht es den Befürwortern von G9 an den Gymnasien gar nicht? Sondern um weniger Leistungsorientierung bei Beibehaltung des Begriffes Gymnasium? Tja, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.