Der HSV hat sich mit der Entlassung von Mirko Slomka selbst unter Druck gesetzt. Helfen kann nur noch einer: ein richtiger Konzepttrainer. Ein Kommentar.
Der HSV macht das, was der HSV immer macht, wenn der HSV nicht so spielt, wie es der HSV will: Er wirft seinen Trainer raus. Jetzt also Mirko Slomka. Der elfte Coach in zehn Jahren. „Wir können das nur bestätigen“, sagte Mediendirektor Jörn Wolf am Montagabend, als die Meldung schon längst über alle Kanäle verbreitet wurde. Nach sieben Monaten, einem katastrophalen Saisonende mit knapper Rettung in der Relegation und einem Saisonstart, der keine Besserung brachte, muss Slomka gehen. Darauf einigten sich die neuen Vereinsbosse bei einer Mammutsitzung in der HafenCity.
Die Entscheidung ist konsequent, aus zwei Gründen: Erstens geht es beim Fußball um Ergebnisse. Die waren desaströs bei Slomka. Er konnte kein Auswärtsspiel gewinnen. Er holte nur einen Punkt in drei Spielen. Keiner seiner Spieler war in der Lage, auch nur ein einziges Tor zu schießen. Zweitens war Slomka der Letzte aus der Führungsriege, der aus der alten Zeit kam – wenn auch nur ein paar Monate, in denen der HSV noch HSV hieß und nicht HSVplus. Sportchef Oliver Kreuzer ist weg, Präsident Carl-Edgar Jarchow faktisch entmachtet. Karl Gernandt, Dietmar Beiersdorfer, Bernhard Peters und Peter Knäbel sind die neuen Mächtigen. Slomka haben sie vorgefunden, er war nie ihr Mann. Deshalb fiel es ihnen leicht, ihn zu entlassen.
Aber ist die Entscheidung auch richtig? Nur dann, wenn Dietmar Beiersdorfer in den kommenden Tagen einen echten Konzepttrainer als neuen Mann präsentiert, mit dem er die nächsten Jahre plant, mit dem er eine Idee entwickelt, wie der HSV in Zukunft spielen soll und an dem er festhält, selbst wenn er mal fünf Spiele am Stück verliert. Thomas Tuchel, der Ex-Trainer von Mainz 05, der den Verein bis in die Europa-Ränge coachte, wäre so einer. Aber der hat wohl schon abgesagt. Und sonst? Scheint keiner der derzeit vorhandenen Kandidaten das Format zu haben, die Untrainierbaren zu trainieren. Huub Stevens? Eine schwache Sicherheitslösung. Markus Babbel? Nicht wirklich. Bernd Schuster? Braucht die spanische Sonne, um überhaupt konkurrenzfähig zu sein.
Die Entlassung von Mirko Slomka zeigt, in was für einem Dilemma der Verein steckt. Sie ist kein Schritt der Befreiung, sondern eine Eindämmung. Sie ist ein Resultat von Fehlern, die in den vergangenen Monaten gemacht wurden. HSVplus versprach Aufbruch. Was kam, war eine Aneinanderreihung der Unglücklichkeiten. Der Übergang schleppte sich. Dietmar Beiersdorfer musste sich gedulden und Wochenlang aus dem Hintergrund agieren. Kostbare Zeit, die verloren ging. Als er endlich Chef war, dauerte es, bis er seine Spieler zusammenbekam. Mirko Slomka begann die Saisonvorbereitung früher als alle anderen Bundesligaclubs. Doch was bringt das, wenn die halbe Mannschaft noch fehlt?
So ist die Entlassung des Trainers auch ein Akt der Hilflosigkeit. Es ist die letzte Möglichkeit, etwas zu ändern. Die Führungsetage ist komplett umgekrempelt. Die Elf auf dem Platz auch. Was die Mannschaft nun braucht, ist Ruhe und Zeit, um sich kennenzulernen, sich einzuspielen, um Automatismen zu entwickeln. Nur: Wie soll das gehen, jetzt, da die Saison schon begonnen hat und die nächsten Gegner Bayern München und Borussia Mönchengladbach heißen?
Nachtrag von 18:26 Uhr: HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer hat verkündet, dass der bisherige U23-Trainer Josef Zinnbauer „bis auf Weiteres“ die Profimannschaft anleiten wird.