Opferstöcke und Autoschlüssel: In Hamburger Kirchen wird diesen Sommer ungewöhnlich häufig gestohlen. Eine Video-Überwachung der Gotteshäuser aber ist der falsche Weg.
Kirchen sind offene Orte, sonst wären sie keine Kirchen. Sie schaffen Raum für Kontemplation, für Ruhe und Gebet. Sie machen ein auf Dauer gestelltes Angebot an die Vorbeihastenden: Wenn du Sorgen hast, wenn dich deine Kraft verlässt, komm herein und finde mit Gottes Hilfe zu dir. Kirchen sind ihrem Wesen nach verwundbare Orte, weil sie sich öffnen. Wie aber sollen sie reagieren, wenn ihr Angebot missbraucht wird, wenn Menschen nicht kommen, um niederzuknien, sondern um Niederknieende auszurauben?
In Hamburgs Kirchen wird gestohlen, diesen Sommer dreister als zuvor. Das berichtet das Hamburger Abendblatt. Im Michel wurden zwei historische Opferstöcke aufgebrochen. Geld gab es für die Diebe kaum zu holen, dafür muss die Gemeinde nun zahlen, um die Opferstöcke zu reparieren. In St. Petri sind ein Silberleuchter und ein Bronzekreuz geklaut worden. Im katholischen St. Mariendom der Autoschlüssel des Küsters, den er während der Messe in der Sakristei liegen ließ. Das Auto war natürlich auch nicht mehr da. Diebe stehlen aus Handtaschen und warten während der Gottesdienste darauf, dass die Gläubigen zum Altar gehen und die Kommunion oder das Abendmahl empfangen. Irgendjemand lässt immer seinen Rucksack oder seinen Beutel in der Bank liegen.
Für die Gemeinden ist das ein Dilemma. Ihre Glaubwürdigkeit lebt davon, dass sie jeden, der kommt, mit ausgebreiteten Armen empfangen. Gerade die Sünder. Wie sollen sie die schützen, die sich in ihren Gotteshäusern fallen lassen wollen, die nicht auch dort noch darüber nachdenken wollen, wer ihnen wie etwas antun könnte?
Auf den Spitzen der Säulen Videokameras installieren, das ist eine Möglichkeit. Im Michel denken sie darüber nach, in Nordrhein-Westfalen und Bayern haben einige Kirchen schon aufgerüstet. Doch die Lösung kann das nicht sein. Kirchen dürfen doch nur von einem permanent überwacht werden, der dafür sicherlich keine CCTV-Technik braucht.
Gotteshäuser müssen offen und verwundbar bleiben, auch wenn es wehtut. Nur so können sie einer säkularisierten Gesellschaft ein Vorbild sein. Das heißt nicht, dass sich Gemeinden wehrlos zeigen sollen. Gemeinsam mit der Polizei müssen sie versuchen, jeden einzelnen Fall aufzuklären. Aber sie dürfen sich nicht verschließen oder ihre Kirche zum Ort der Überwachung ausbauen. Wer Freiheit will, muss manchmal Ohnmacht aushalten. Niemand weiß das besser als die christliche Kirche.