Der Hamburger Fußball ist ein Trauerspiel. Wer Sport liebt, muss sich neu orientieren. Zum Glück gibt es in der Stadt tolle Möglichkeiten.
Katastrophe. Der HSV tritt mit großen Erwartungen und noch größerer Zuversicht beim Abstiegskandidaten FC Ingolstadt an, liegt nach 20 Minuten mit 0 : 2 zurück und verliert am Ende völlig verdient mit 1 : 3.
Bitter. Der FC St. Pauli ringt dem VfB Stuttgart 84 Minuten lang ein 0 : 0 ab. Dann zirkelt ein Spieler der Gäste den Ball schön in den Winkel, der FC St. Pauli verliert mit 0 : 1, und der Rückstand auf die Konkurrenz im Abstiegskampf wächst.
Es gibt Zittern, es gibt Fluchen, es gibt Pleiten, es gibt Angst. Vorsichtig formuliert ist es gerade keine Freude, in Hamburg Sportfan zu sein.
Oder?
Kommt ganz drauf an, wo man hinschaut. Beim Eishockey und beim Handball gab es am vergangenen Wochenende Siege zu bejubeln. Wieder einmal.
Liebe Sportfans dieser Stadt: Schaut euch das an! Es ist eine viel größere Freude als die Quälerei, die es seit Jahren im Volksparkstadion und am Millerntor zu sehen gibt.
2016 war das Jahr des Club-Sterbens in Hamburg. Die Volleyballerinnen von Aurubis zogen ihre erste Mannschaft aus der Bundesliga zurück, weil sie keinen Sponsor fanden. Die Handballer des HSV bekamen keine Lizenz, weil ihr Mäzen aus Ahrensburg nicht mehr Mäzen sein wollte. Die Eishockeymannschaft der Freezers musste sich aus der Deutschen Eishockey-Liga abmelden, weil ihr Mäzen aus Amerika die Lust verloren hatte. Für die Sportstadt Hamburg war das ein Grauen.
Wer sich die Situation heute anschaut, kann sagen: Hamburg hat sich von diesem Grauen erholt. Und wie!
Natürlich ist die Qualität des Sports schlechter geworden. Die Handballer des HSV spielen nicht mehr in der Champions League, sondern in der dritten Liga. Auch die Eishockeyspieler der Crocodiles sind der dritten Liga. Aber beide Mannschaften gewinnen! Die Handballer stehen auf dem dritten Platz, die Crocodiles auf dem vierten der Aufstiegsrunde. Beide Mannschaften haben die Chance, in die zweite Liga aufzusteigen.
Dabei ist noch etwas neu im Hamburger Sport: Sie können aufsteigen, müssen es aber nicht, um zu überleben. Denn die Vereine folgen einem langfristigen Plan und nicht dem Ziel, auf die Schnelle so viel als möglich zu gewinnen.
Die HSV Handballer und die Crocodiles haben eine gesunde Vereinsstruktur. Sie sind nicht abhängig von Geldgebern, die sie nicht beeinflussen können, deren Launen sie aber ertragen müssen (wie bei den Fußballern des HSV). Sie wollen irgendwann in der ersten Liga spielen. Aber sie setzen sich keine unrealistischen Ziele.
Das mögen die Fans. Deshalb kommen sie. Die Spiele in den kleinen Hallen sind häufig ausverkauft, es gibt Bratwurst und Bier statt Lachsschnitten, die Stimmung ist großartig. Die Handballer schafften kurz vor Weihnachten sogar einen Weltrekord: 8555 Zuschauer kamen zu einem Spiel gegen DKK Flensborg. Die Bestmarke für ein Drittliga-Spiel lag vorher bei 3500.
Das Konzept ist bei beiden Mannschaften ähnlich – und es geht auf. Sie haben eine zentrale Führungsfigur, die den Fans in der Stadt seit Jahren vertraut ist: der ehemalige Nationalverteidiger Christoph Schubert bei den Crocodiles und der ehemalige Rechtsaußen der deutschen Handball-Nationalmannschaft Stefan Schröder beim HSV. Alle anderen Spieler sind jung und kommen teilweise aus der Region. Ein besseres Kontrastprogramm zum Kommerz des Fußballs kann es nicht geben.
Aber selbst für diejenigen, die auf ihren Lieblingssport nicht verzichten wollen, hat Hamburg eine Alternative. Die Fußballer des HFC Falke stiegen gleich im ersten Jahr ihres Bestehens auf und holen nun in der Kreisliga 2 einen Sieg nach dem anderen. Warum sie sich vor zweieinhalb Jahren gründeten? Sie hielten die Entwicklung beim HSV nicht mehr aus.