Heiko Westermann, Verteidiger beim HSV, und Sebastian Schachten, Verteidiger beim FC St. Pauli, haben dieses Wochenende jeweils den Ball zum Siegestor schönsten Tor beim Sieg ihres Vereins in die Maschen versenkt. Beide volley, jeweils nach weiten Flanken aus dem gegenüberliegenden Halbfeld. Damit wuchtete sich der HSV auf den Relegationsplatz der ersten Bundesliga; dem FC St. Pauli fehlen nur noch drei Punkte zum Erreichen des Pendants in der zweiten: Es droht die Relegation des Jahrhunderts.
„Dann brennt Hamburg“
Hamburg scheint auf unsichtbaren Schienen auf diese Kreuzung zuzufahren. „Dann brennt Hamburg“, ruft Willi M. mit einer Mischung aus Besorgnis und Begeisterung und ich weiß nicht, wie ich diese Relegationsspiele nervlich überstehen soll, wenn der Gedanke an sie schon so an den Nerven zehrt. Da geht es mir wie Fabian Boll vom FC St. Pauli: Den reißt es auch hin und her zwischen dem Ausblick auf absoluten Höhepunkt seiner Karriere und dem emotionalen Chaos, das dann in der Hansestadt herrscht.
„Meine Kollegen müssen dann wohl eine Menge Extraschichten fahren“, lächelt der Kommissar vom Millerntor das Szenario professionell weg. Und in der Tat ist es kaum auszudenken, was auf den Straßen von St. Pauli los wäre, würde der magische FC den Dino zum ersten Mal in seiner Geschichte in die Zweite Liga schießen.
Das geplante Museum in der Gegengerade könnte man mit den Trikots, Wasserflaschen und Rasenstücken dieses Spiels allein befüllen, so singulär wäre dieser Erfolg für den Verein – und so vernichtend für den Club aus der Vorstadt.
Bei aller Rivalität, den HSV strukturell umbringen will ich auch nicht. Die haben doch da draußen an der Müllverbrennungsanlage nichts anderes mehr, als ihr Gründer-Image und eine kaputte Uhr. Nachher kommen die dann alle zu uns?
Mit Willi M. habe ich mir am Freitag im Altonaischen das Spiel des HSV gegen Bayer Leverkusen angesehen („das ist das letzte Spiel des schweigsamen Finnen“, hatte Willi vorher richtig vorhergesagt) – quasi als vorausschauende Gegneranalyse. Die Mannschaft der Aussortierten und Jungstars in Rothosen ist mir tatsächlich sympathisch. Nicht nur der oft gescholtene Westermann, auch Jacques Zoua, der athletische Chancentod, oder Rincon kämpfen geradezu ’stpaulianisch‘ verwegen. Das wäre nicht mehr das Spiel des Underdog gegen die arroganten Millionarios, wie noch im Februar 2011.
„Et kütt, wie es kütt“, sagt Willi M. am Ende des Abends, als wir im Hamburger Wetter nach Hause gehen. Und vor die Relegation hat der DFB noch den 1. FC Köln gestellt. Es kommt eben, wie es kommt. Und bis dahin singe ich trotzdem das seit Jahren beliebte Lied vom Millerntor: „Wir holen den dritten Platz, schiessen die Vorstadt ab. – Relegation, wir freun uns schon.“ Nur um die Rauten in meiner Umgebung zu ärgern.