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Obdachlosigkeit

Liegen gelassen

 

Immer mehr Obdachlose campieren in der Stadt. Die Notunterkünfte reichen nicht aus. Wie lange will der Senat noch wegsehen?

Sind Sie in letzter Zeit mal vom Hauptbahnhof zum Rathaus gelaufen, morgens vor Ladenöffnung oder abends nach Ladenschluss? In dieser Zeit campieren Obdachlose an jeder zweiten Ecke. Die Menschen liegen am Bahnhof, in den Eingängen der Geschäfte rund um die Mönckebergstraße und in den kleinen Gassen hinterm Rathaus.

Es ist ein trauriger Eindruck, der sich statistisch bestätigen lässt: Seit der letzten Zählung 2009 hat sich die Zahl der Obdachlosen in Hamburg Schätzungen zufolge auf 2000 verdoppelt. Teils kursieren noch deutlich höhere Zahlen.

Und wer mit Sozialarbeitern spricht, hört nicht nur einmal: So schlimm war die Situation noch nie, so viele Menschen, für die wir nichts tun können, gab es nie zuvor. Es herrscht ein Elend, das selbst für Profis kaum noch zu ertragen ist.

Hamburg, das haben gerade die vergangenen Wochen gezeigt, hat kein tragfähiges Konzept, um mit dieser Tendenz umzugehen. Am Nobistor räumte das Ordnungsamt einen Park, in dem Obdachlose campierten. Eine nachvollziehbare Aktion, viele der Menschen dort waren daueralkoholisiert, bettelten aggressiv, nicht weit entfernt von einem Spielplatz. Trotzdem fragt man sich, wo die Menschen hinsollen, wenn sie nicht mehr in Parks schlafen dürfen.

Unter Obdachlosen gibt es seit Monaten eine Debatte um eine Frage, die alles andere als politisch korrekt ist: Warum war für Flüchtlinge in kurzer Zeit so viel möglich, während wir weiter auf der Straße bleiben? Das ist in vielerlei Hinsicht ein schiefer Vergleich. Die Stadt tut auch eine Menge für Wohnungslose.

In einem Punkt stellt sich die Frage aber durchaus: im Hinblick auf die Notunterkünfte. Mit beeindruckendem Improvisationstalent hat es der Senat geschafft, dass Flüchtlinge in Hamburg nicht auf der Straße schlafen müssen. Für Hamburgs Obdachlose hingegen gibt es zurzeit gerade einmal gut 400 Notfallplätze – das reicht bei Weitem nicht.

Der Eindruck drängt sich auf: Es ist in Sachen Wohnungslosigkeit längst nicht mehr mit ein wenig mehr Unterstützung hier und da getan. Der Senat braucht einen Plan, und zwar dringend.