Kein Pogen, kein Headbangen: Unser Autor war auf einem Konzert der isländischen Band Sólstafir – und hat festgestellt, dass die nicht nur heftig und gut scheppern kann.
Island ist nicht nur landschaftlich, sondern auch musikalisch eine spezielle Erfahrung. Das beweist Sólstafir schon seit Jahren. Bereits vor dem Auftritt der Band von der frostigen Insel im Norden war klar, dass sie mittlerweile nicht mehr nur durch heftiges Geschepper, sondern auch durch feinfühlig zelebrierten Post Metal begeistert. Auch ihr Ruf, eine hervorragende Live-Band zu sein, eilte ihr voraus. Dass Sólstafir im Gruenspan mit einem kleinen Streicher-Ensemble und einem Live-Keyboard auftreten würde, das überraschte einen als ans Ausflippen gewöhnten Konzertgänger dann aber doch.
Ganz unprätentiös und ohne Vorband betreten die lässig mit Hemd, Weste, Hüten und Stiefeln bekleideten Musiker pünktlich um acht Uhr die Bühne und beginnen, ihr neuestes Album Ótta am Stück darzubieten. Schon während Lágnætti, dem ersten Song, vergisst man fast, dass es sich eigentlich um ein Metal-Konzert handelt. Bewegung im auffällig durchmischten Publikum? Weitestgehend Fehlanzeige. Stattdessen beinahe andächtige Stille. Der melancholisch-psychedelische Sound von Sólstafir geht dennoch (oder gerade deswegen?) ins Mark. Auch wenn das Banjo beim Titelsong nicht ganz treffsicher klingt und Sänger Aðalbjörn Tryggvason gelegentlich improvisiert, die ausladenden Gitarrenwände saugen die Zuhörer mühelos in den eisigen Atlantik. Maritime Bewegtbilder auf der Leinwand hinter den Künstlern unterstützen dabei.
Sólstafir, sonst eine fast klischeehaft nordisch-reservierte Band, wirken dagegen regelrecht aufgetaut. Der Frontmann witzelt trocken und erzählt hier und da die Geschichten hinter den Songs, gleichsam betonend, dass man das ja eigentlich nicht mache. Der Abend fühlt sich sehr zivilisiert an, Party-Stimmung erscheint unangemessen. Erst nach einer guten Stunde gehen ein paar Arme in die Luft.
Das Ótta-Set endet und die Band macht erst mal Pause. Mit Szenen aus dem Wikingerfilm Hrafninn flýgur (Der Flug des Raben) wird die rund viertelstündige Wartezeit überbrückt. Im zweiten Teil des Abends spielen Sólstafir die knackigeren Songs aus ihrer Diskografie, wobei auch jetzt die alten, Black-Metal-lastigen Platten unberücksichtigt bleiben. Nicht fehlen darf dagegen Fjara, der Über-Song der Isländer. Abermals von Streichern und Background-Sängerinnen unterstützt und ein gutes Stück verlängert, markiert die Halbballade zweifellos den Höhepunkt des Abends. Gänsehaut.
Zugaben? Gibt es nicht. Das macht die Band unmissverständlich klar. Wozu auch? Am Ende erklingt ja mit Goddess of the Ages der obligatorische Rausschmeißer, bei dem sich Aðalbjörn zu einer Klettereinlage über die Bar des Gruenspan hinreißen lässt. Immerhin am Ende noch ein wenig Action.