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FC St. Pauli

Reich in die dritte Liga?

 

Nach dem Aue-Desaster spekuliert die Regenbogenpresse bereits über einen neuen St.-Pauli-Trainer. Nur: Ewald Lienen war es nicht, der den Kader kaputtgespart hat.

Auch wenn es schwer fällt: Aus Sicht der Südkurve – genauer: aus Anas Perspektive – könnte man das vergangene Spiel aus zwei Gründen positiv sehen. Erstens hat St. Pauli endlich wieder ein Tor geschossen, das nicht wegen Abseits annuliert wurde. Zweitens ist Anas Freundin aus Costa Rica auf Europabesuch. Sie war daher mit im Stadion. Die Freundin hatte Ana einst auf der anderen Seite des Atlantiks ins Stadion des Clubs Deportivo Saprissa eingeladen – diesen Freitag gabs endlich Revanche. Dank unseres Treffers bereits nach drei Minuten musste die Latina nicht lange auf unsere Tor-Hymne namens Song 2 warten, sondern erlebte zügellose Millerntorstimmung gleich live mit.

Auf der anderen Seite stand Urs, einmal nicht auf der Gegengeraden, sondern exakt gegenüber der Süd, im temporären Exil, in der Nordkurve. Er beurteilte das Elfertor durch Marvin Ducksch nüchtern, wenn nicht gar miesepetrig: Dass unsere Mannschaft nach fast fünf Stunden Spielzeit wieder mal ein Tor zustande brachte, lag daran, dass der Schiedsrichter einen Strafstoß nach einem Foul pfiff, das von nah betrachtet wie eine Schwalbe aussah.

Die endgültige Ernüchterung, ja, gar das Ende jeglicher Freude an der Mannschaftssportart Rasenball, folgte in der 90. Minute. St. Paulis dösende Verteidigung ermöglichte Aues Siegtreffer nach einem Standard. Fazit: Nicht einmal gegen den Aufsteiger aus Sachsen gelingt uns ein Dreier.

Nach dem neunten Spieltag stehen wir damit weiterhin auf Platz 18. Stimmungsmäßig noch erschwerend kommt hinzu, dass wir nicht einmal mehr Leidensteilung aus der Vorstadt bekommen. Am selben Wochenende konnte nämlich der HSV in seiner Liga die rote Laterne abgeben – dank einer Nullnummer und Dusel in einer Größenordnung, die ausreichen würde, um vier Mal hintereinander die Champions League zu gewinnen.

Für die Schlüsselszene am Freitagabend am Millerntor sorgte Christopher Buchtmann: Der Spielmacher, eigentlich zum kreativen Zentrum auserkoren, bekommt alleinstehend den Ball. Er hat unendlich Platz vor sich, mindestens 40 Meter. Beste Möglichkeiten also, unbedrängt irgendetwas zu lancieren. Stattdessen dreht unsere Nummer zehn sich um, spielt einen maximal unkreativen Rückpass auf Robin Himmelmann, worauf der Torhüter das Spielgerärt weit nach vorne drischt, ins ungefähre Mittelfeld.

Diese Szene Mitte der zweiten Halbzeit kam einer Bankrotterklärung gleich. Wann, wenn nicht in so einem Moment, gilt es für einen Spielmacher, ein Spiel zu machen?

Am Ende gab es einige wenige, aber hörbare Pfiffe, sogar auf der Südkurve. Und die Stimmung danach, vor dem Fanladen, auf dem Kiez und in den U-Bahnen, sie war so schlecht wie seit Langem nicht mehr. Kein Wunder, nutzte am Montag Hamburgs Regenbogenpresse die Gelegenheit, um eine Trainerdiskussion anzuzetteln. Sogar den Namen eines angeblich möglichen Nachfolgers ließ sie fallen: Jos Luhukay.

Aber die akuten Probleme auf diese Weise lösen zu wollen, ist definitiv falsch. War es etwa Ewald Lienen, der in der Sommerpause den Kader kaputtgespart hat? Im Gegenteil: Er warnte frühzeitig, dass es unter den ihm gegebenen Voraussetzungen eine schwierige Saison würde. Lienen hat nicht nur recht behalten, es ist gar noch schlimmer gekommen. Wer das Spiel am Freitag gesehen hat, sieht kaum Perspektiven. Und Vorstand und Sportchef müssen sich langsam fragen, ob uns die im Sommer eingenommenen Millionen in der dritten Liga glücklich machen werden.