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FC St. Pauli - Hannover 96

Mehr Papier bitte!

 

Unentschieden gegen den kleinen HSV: Beim Spiel gegen Hannover 96 haben diesmal die St.-Pauli-Fans gezeigt, wie man gegen solche Mannschaften Punkte holen kann.

Als erfahrene Supporter wissen St.-Pauli-Fans, wie man gegen einen HSV zu handeln hat: mit viel Zellulose. 2009 eliminierte der Stoff den Hamburger SV aus der Europa League. Im Halbfinale gegen Werder Bremen missriet seinerzeit HSV-Verteidiger Michael Gravgaard eine Rückgabe, weil eine von Fans auf den Rasen geworfene Papierkugel sich ins Spiel eingemischt hatte. Es gab Ecke und ein alles entscheidendes Tor für Bremen.

Wir erinnern uns auch daran, dass wenige Tage nach jenem Ereignis die schadenfreudigen St.-Pauli-Fans eine überdimensionale Papierkugel 90 Minuten lang über den Köpfen durch das Millerntor wandern ließen: Als ein Hoch auf alles, was den Stadtrivalen HSV irgendwie aus dem Tritt bringt.

Am vergangenen Samstag nun gab es erneut eine kleine Reminiszenz an das papierene Erfolgserlebnis des Jahres 2009. Zu Gast am Millerntor war zwar nicht der HSV selber, sondern der kleine HSV aus Niedersachsen. Dazu passend wurden statt Papierkugeln kleinere Zelluloseeinheiten gereicht: Schnipsel – allerdings in Massen. Unterstützt von stürmischen Windböen geriet diese Konfetti-Choreo der Gegengeraden zur regelrechten Papierflut, die den Rasen auf der Südseite fast komplett überschwemmte. Spielfeldende und Strafraumumrandung ließen sich nur noch knapp erahnen.

Schon vor dem Einmarsch der Akteure gab es Grund zu feiern. Alle gegnerischen Spieler hießen an diesem Tag Tschauner. Jedenfalls nach Ansicht der St.-Pauli-Fans auf der nicht zu bremsenden Gegengeraden. Die nahm das Herunterlesen der 96er-Aufstellung zum Anlass, dem ehemaligen Topscorer unter den Torhütern zu huldigen und unentwegt den Nachnamen „Tschauner“ zu brüllen. Wer wissen will, warum der 96er-Torhüter und ehemalige St. Paulianer Philipp Tschauner am Millerntor ewig unvergessen bleiben wird, muss sich nur sein Tor von 2013 gegen Paderborn (und vor allem seinen Jubel danach) ansehen. „Tschauni“ erzielte damals per Kopf den Ausgleich in der 90. Minute

Leider zeichnete sich der Ex-Held gegen uns im Verhindern von Toren aus. Nach durchwachsener erster Halbzeit war spätestens nach der Pause der FC St. Pauli die bessere Mannschaft. Ein großartiger Tschauner und sein Pfosten allerdings verhinderten die Führung. Das Spiegelbild dazu in der Schlussviertelstunde auf der Gegenseite. Dort standen unser Schlussmann Heerwagen und ebenfalls der Pfosten einem gut möglichen Siegtreffer für Hannover im Weg.

Am Ende stand auf beiden Seiten die Null. Ein gerechtes Unentschieden. Offenbar spürten das beide Fangruppen, sie gerieten in gemeinsame Feierlaune. Die Hannoveraner intonierten dazu nach Abpfiff ihr „Scheiß St. Pauli“-Gebrüll. Während unsere Südkurve etwas humorlos reagierte und die „Scheiß St. Pauli“-Rufe mit „Scheiß Hannover“ quittierte, fand die Gegengerade das treffendere Rezept. Ihr erschien das Hannover-Gebrüll noch zu leise, worauf sie übermütig den Gästen zur Hilfe kam und unterstützend ebenfalls „Scheiß St. Pauli“ johlte. Als die Gäste daraufhin verstummten, forderte die gut gelaunte Gegengerade „Zugabe“ von den eingeschüchterten Klein-HSV-Hooligans.

Was die gezeigte Leistung angeht, muss man daher an diesem 25. Spieltag die Gegengerade als Siegerin sehen. Weniger wegen des souveränen Umgangs mit Schmähungen, als vielmehr wegen der Taktik auf dem Platz. Bestimmt war es dem zu Beginn veranstalteten Zellulose-Gestöber zu verdanken, dass wir gegen den Viertplatzierten einen Punkt holten. Dieser Teilerfolg zeigt aber auch, wo Luft nach oben ist. Wir wissen nun, was es braucht, wenn in der kommenden Saison der „große“ HSV am Millerntor zu Gast sein wird und versuchen wird, nach mehr als 15 Jahren endlich wieder einmal Stadtmeister zu werden: Noch viel mehr Papier.