Ich wohne in Billstedt. Wer diesen Satz liest, hat sofort ein Bild von mir im Kopf. „Killstedt“, so nannte eine Tageszeitung das sogenannte Problemviertel. Wer hier lebt, hat in den Augen der meisten Menschen schon verloren. Kein Wunder, dass ich mir andauernd die Frage gefallen lassen muss, warum ich in Billstedt lebe.
Nehmen wir nur den ersten Hamburger Tatort mit Wotan Wilke Möhring. Zu den Ermittlungen in Billstedt gehört natürlich ein verdreckter Basketballplatz mit gefährlichen Schlägern. Diesen Platz gibt es hier wirklich. Doch was der Tatort verschweigt: Hätte die Kamera sich einmal um 180 Grad gedreht, hätte der Zuschauer eine frisch sanierte Sportanlage im Grünen gesehen – typisch Billstedt eben.
Bürgertum statt Bandenkrieg
Klar gibt es in Billstedt Probleme. Es gibt Armut und Kriminalität, die höher ist als in anderen Stadtteilen. Ja, es gibt hier Ecken, in die ich im Dunkeln nicht gerne gehen würde. Doch der Blick auf andere Ecken der Stadt zeigt, dass es solche Orte fast überall gibt. Perfekt ist kein Viertel.
Bezahlbare Mieten haben lange Zeit Menschen mit geringem Einkommen in den Stadtteil gezogen. Hier gibt es Hochhaussiedlungen und Plattenbauten. Aber den Hochhäusern im Stadtteil steht eine unglaublich große Dichte an Einfamilienhäusern gegenüber.
In Billstedt wohnen hat Vorteile
Ja, ich wohne gerne hier. Der Stadtteil ist grün und bietet viel Natur direkt vor der Haustür. Eine schnelle Runde durch den Park drehen? Grillen am Öjendorfer See im Sommer? Lange fahren muss man dafür nicht. Weit ab vom Schuss ist man trotzdem nicht: Mit der U-Bahn bin ich in 15 Minuten am Hauptbahnhof, in unter 30 Minuten auf der Reeperbahn zum Feiern.
Ich habe viele gute Freunde in Billstedt gefunden und freue mich jedes Jahr auf Veranstaltungen wie das Lichterfest im Schleemer Park. Gerade deshalb stören mich die Vorurteile, die gegen meinen Stadtteil geäußert werden. Es lohnt sich genau hinzuschauen, bevor man ein Urteil fällt.
Wer mich zum ersten Mal besucht, ist erstaunt. Kaum jemand weiß, dass Billstedt bürgerlich geprägt ist. Tatsächlich ist der Stadtteil ein Dorf. Viele Billstedter betonen, dass sie aus Kirchsteinbek, Schiffbek oder Öjendorf kommen, den drei Dörfern, aus denen Billstedt entstanden ist. Von einem sozialen Brennpunkt spricht hier niemand. Das Einzige, was hier regelmäßig brennt, sind die Kamine in den Wohnzimmern der bürgerlichen Mittelschicht.