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Unerwartet und Unbemerkt

Wo ist der Bahnsteig? Und warum gründet man eine Zeitung?

 

U-Bahn-Fahrer wissen jetzt, auf welcher Seite sie aussteigen können. Außerdem: Angekündigt und dann doch nicht – das „Morgenblatt“. Die Kolumne „Unerwartet und Unbemerkt“

Unerwartet

Ende Januar machte eine unerwartete Meldung aus der Medienbranche in Hamburg und über die Stadt hinaus die Runde: Eine neue Tageszeitung stehe vor dem Start, das Morgenblatt. Für gerade einmal 70 Cent sollte es zu haben sein, 50.000 Exemplare sollten jeden Tag gedruckt werden. Mit Andreas Wrede, Dozent an der Hamburg Media School, stand auch bereits ein Chefredakteur fest.

In Zeiten, in denen Zeitungen eher vom Markt verschwinden, als dass sie expandieren, ist das eine Überraschung. Zudem gibt es in Hamburg, anders als in anderen Teilen Deutschlands, verhältnismäßig viele verschiedene Zeitungen. Doch die vermeintliche Markteinführung des Morgenblatt ist eben auch keine normale. Hinter dem Projekt steht nicht etwa ein Verlag oder eine Gruppe von Journalisten, sondern ein Energieversorger namens Care-Energy.

Care-Energy ist ein umstrittenes Unternehmen. In der Vergangenheit beschäftigten sich Behörden und Gerichte mit den Geschäften der Firma, die in diesem Rahmen auch Bußgelder zahlen musste, etwa weil sie es versäumte, den Behörden vollständige Meldungen und Bilanzen zu übermitteln. Die Presse begleitete das Unternehmen daher oft kritisch, auch der Umgang mit den Kunden wurde bisweilen aufgegriffen, zum Beispiel weil Bestandskunden deutlich mehr zahlen sollten als Neukunden. Insider witterten in der geplanten Zeitung daher weniger den Wunsch nach mehr Pressevielfalt als vielmehr einen Revancheakt von Gründer Martin Kristek an den Medien in Hamburg.

Dafür spricht auch, dass die Zeitung unerwartet nun doch nicht erhältlich ist. Besagter Martin Kristek starb im Januar überraschend an einem Herzinfarkt. Seitdem positioniert sich das Unternehmen intern neu und hat das Zeitungsprojekt zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Wahrscheinlich erscheint, dass es das Morgenblatt nie geben wird. Aber vielleicht bekommt dieser Fall ja noch eine unerwartete Wendung.

Unbemerkt

Viele haben es gar nicht bemerkt: In einigen Zügen der Hochbahn gibt es seit Januar neue Ansagen. Genauer gesagt sind sie etwas länger geworden. Bis zuletzt gab es in Hamburgs U-Bahnen keine automatischen Ansagen zur Ausstiegsseite am nächsten Halt. Das ist nun anders. Wer täglich mit der Bahn fährt, achtet vermutlich nicht darauf. Viele Passagiere gehen, wenn man sie fragt, sogar davon aus, dass es diese Information schon immer gab. Doch dem ist nicht so.

Während die S-Bahn solche Durchsagen bereits seit Jahren hat, blieb es den U-Bahn-Gästen bislang selbst überlassen, herauszufinden, wo als Nächstes die Tür aufgeht. Das ist nicht nur nervig für Menschen, die nicht mit der Strecke vertraut sind: „Die Erweiterung der Ansagen dient der Barrierefreiheit und soll insbesondere sehbehinderten sowie körperlich eingeschränkten Fahrgästen den Ausstieg erleichtern“, gibt die Hochbahn über Sinn und Zweck der Neuerung zu Protokoll. Und so sieht das Unternehmen den Schritt auch als Teil seiner Bemühungen, das Nahverkehrsnetz barrierefrei zu gestalten.

Allerdings: Die Ansage ist noch nicht in allen Zügen zu hören, sondern nur in den neuen. Die weißen DT4, die überwiegend auf den Linien 1 und 2 zum Einsatz kommen, sollen im Laufe des Jahres nachgerüstet werden. Die ganz alten Züge bleiben ganz ohne zusätzliche Ansagen.

Doch warum gibt es die Ansagen erst jetzt? In den alten Zügen sei eine Nachrüstung mit zusätzlichen Soundfiles technisch nicht möglich gewesen, gibt die Hochbahn auf Nachfrage an. Die Technik sei hier deutlich statischer als in den neueren Fahrzeugen. Die erhalten gerade neue Software und mit diesem Schritt sei auch die zusätzliche Ansage einpflegbar. Doch auch der Wille ist nun offenbar größer als zuvor. Im Zusammenhang mit dem barrierefreien Ausbau habe das Thema, und damit auch die Ansagen, einen höheren Stellenwert erhalten, sagt das Unternehmen.

Das zeigt: Auch im Jahr 2017 muss man auf vermeintliche Kleinigkeiten immer wieder aufmerksam machen, damit nicht unbemerkt ein Teil der Gesellschaft unnötig mit Barrieren zu kämpfen hat.