Unser Autor hat den FC St. Pauli beim Spiel in Sandhausen begleitet. Auch wenn Fans und Spieler des Kiezvereins tonangebend waren: Für mehr als ein 0:0 hat es nicht gereicht.
Der FC St. Pauli startete im Hardtwald, der Spielstätte des SV Sandhausen, wie die Feuerwehr. Die Heimmannschaft begann das Kellerduell mit einer klassischen Auswärtstaktik: Sie stellte alle 22 Beine ihrer Spieler denen des FC St. Pauli in den Weg, wie Baumstämme, passend zum umliegenden Forst. Letztlich mit Erfolg: Am Ende hieß es 0:0. Auch, weil Ante Budimir wieder einmal zur tragischen Figur wurde.
Mein Kollege Urs Willmann, der hier bisher diese Kolumne schrieb, hat sich zu einer Reportagereise nach Namibia aufgemacht und mich gefragt, ob ich nicht übernehmen möchte. Immerhin stünde ich doch auch auf der Gegengeraden. Und wie jeder St. Paulianer kenne auch ich mindestens eine personifizierte Meckerecke persönlich. Meine heißt Anna und steht ebenfalls auf der Gegengeraden. Frühes Aufstehen und lange Fahrten zu Auswärtsspielen führen bei ihr zu einem besonders kritischen Blick auf die Profimannschaft des FC St. Pauli, besonders bei Minusgraden. So wie am vergangenen Wochenende.
Zu Beginn des Spiels in Sandhausen knuffte Anna mir alle paar Sekunden in die Seite. „Ante, schau Dir Ante an“, sagt sie. Und sie hatte recht: Auch ich sah einen quirligen Ante Budimir. Es schien anfangs so, als strebte die Mannschaft danach, gerade ihn in Szene zu setzen, den so unglücklich spielenden Stürmer der Hinrunde. Nach der ersten großen Gelegenheit durch Waldemar Sobota (2. Minute) war es dann soweit: Budimir bekam die Gelegenheit, all den Frust aus dem vergangenen Jahr vergessen zu machen. Aber allein vor dem Tor stehend verzog er den Ball links am Pfosten vorbei. Spätestens als er in der 13. Minute wieder einmal eine seiner eleganten Drehung vollführte, die wieder einmal ohne Effekt blieb, rief das in mir alte Ängste hervor.
Der SV Sandhausen schaffte es immer häufiger, sich ins Mittelfeld vorzuspielen. Der FC St. Pauli spielte sich mit seiner neuen offensiven Mittelreihe aus Ratzkowski, Sobota, Thy und Daube immer wieder am Sandhausener Unterholz fest. Es entwickelte sich ein Spiel wie so oft zu Hause am Millerntor: überwiegend überlegen, aber ohne Fortune. Die Kulisse war bei etwa 4.000 mitgereisten St. Paulianern auch fest in braun-weißer Hand.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit entzündeten die St.-Pauli-Fans dann so viele rote Bengalos, dass dies schon als aktive Ermutigung gewertet werden konnte: Als choreografischer Wunsch, dass endlich der Funke zünden möge, der dieses Spiel für die Gäste entscheidet.
Leider kam es anders: Der SV Sandhausen hatte sich auf Ewald Lienens Mannschaft eingestellt. Gleichzeitig zeigte die Heimmannschaft selbst kaum das Vermögen, unsere sichere Abwehr um Sören Gonther und Sobiech ernsthaft zu gefährden.
Annas Knuffen ließ immer weiter nach und wich einem Kneifen. „Ich kriege immer schlimmere Gedanken“, sagte sie so um die 70. Minute zu mir. Und ich stimmte ihr still nickend zu. Keiner wollte es aussprechen – Unken ist auch auf gegnerischen Gegengeraden verboten – aber wir befürchteten, dass die braun-weißen-Spieler sich mal wieder auskontern lassen würden. Das hatten sie in der abgelaufenen Hinrunde zu oft getan.
Diesmal ging es gut aus: In Sandhausen stand die Null hinten bis zum Schluss – und das allein war schon ein Fortschritt. „Fast hätten wir sie gefeiert“, sagte Anna dann auch auf dem Heimweg, der uns an Boris Beckers Heimatstadt Leimen vorbei nach Hause führte.
Nun wird sich beim ersten echten Heimspiel am nächsten Montagabend gegen Greuther Fürth zeigen, ob das Zündeln im Sandhausener Forst mehr war, als schönes Blendwerk.
Zum besten Spieler der Begegnung wählte Anna den wuseligen Marc Rzatkowski.