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Linke in Hamburg

Verdruckst und hinterhältig

 

Wie die Linkspartei sich ihrer Fraktionschefin entledigt hat, verrät viel über die Streitkultur der Partei

Es gäbe ja gute oder wenigstens nachvollziehbare Gründe für die neue Linksfraktion in der Bürgerschaft, ihre frühere Vorsitzende Dora Heyenn abzulösen. Da ist ihr Alter, Frau Heyenn ist 65, ein Generationswechsel stand also ohnehin an. Da ist ihr Ansehen, das unter politischen Gegnern größer ist als in der eigenen Partei: Das mag im Wahlkampf nützen, aber der Wahlkampf ist vorbei; nun kann die Partei sich mit einigem Recht eine Fraktionsspitze nach dem Herzen ihrer Mitglieder wünschen. Selbst der Einwand, man dürfe die eigene Spitzenkandidatin nach der Wahl nicht demontieren, ist wenig einleuchtend. Was eine Spitzenkandidatin einer Partei ist, die Regierungsämter gar nicht anstrebt, weiß ohnehin niemand.

Alle Versuche, Gründe für die Ablösung Dora Heyenns zu finden, enden aber angesichts der Vorgehensweise ihrer Genossen. Man kann sich eine Abwahl als unsentimental machiavellistischen Akt vorstellen, kurz nach der Wahl, damit er schnell in Vergessenheit gerät. Diesen Vorgang allerdings wird so bald niemand vergessen: Am Wochenende hat die Linksfraktion ihrer früheren Chefin in einer internen Debatte erst die Fraktionsführung angetragen, wenn auch nur als Teil einer Doppelspitze, und sie dann in geheimer Abstimmung abgewählt – versehentlich, wie die neue Fraktionsführung durchaus glaubhaft erklärt. Offenbar wollte die elfköpfige Fraktion ihre alte Chefin gleichzeitig schwächen und im Amt halten, hat aber vergessen, sich darüber zu verständigen, woher die für eine Wiederwahl erforderlichen sechs Stimmen kommen sollten. Da waren es plötzlich nur fünf.

Auf diese Weise erhält die Öffentlichkeit einen unverhofften Einblick in die Konfliktkultur der Linken. Der entscheidenden Abstimmung war angeblich eine lange Debatte vorausgegangen. Worüber haben diese Politiker gesprochen, wenn sie wenig später wie vom Donner gerührt vor dem Ergebnis ihrer Abstimmung stehen?

Und noch etwas passt ins Bild einer verdrucksten Streitkultur: Dora Heyenn, die Abgewählte, die ihren Genossen keine Gelegenheit gab, einen bereits eingestandenen Fehler zu korrigieren. Sie hätte ein zweites Mal antreten können und wäre gewählt worden. Verständlicherweise ist sie gekränkt. Unverständlicherweise hat sie nun sogar ihre Fraktion verlassen.