Wer hätte gedacht, dass sich Hamburg mit Hexenverfolgung beschäftigt? Wer, dass es noch 445 Telefonzellen gibt? Eine neue Folge der Kolumne „Unerwartet & Unbemerkt“
Unerwartet
Als die taz vor einigen Wochen über die Petition von Jan Vahlenkamp berichtete, hatte diese noch eine einstellige Zahl an Unterstützern. Hexenverfolgung in Hamburg – ein typisches Randthema. Löblich, dass sich die Kollegen trotzdem damit befassten. Vahlenkamp forderte in seiner Petition, eine Straße nach Katharina Hanen zu benennen, der ersten Frau, die 1444 in Hamburg des Hexenzaubers angeklagt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.
Mindestens 40 Personen seien in Hamburg als Hexen verfolgt und hingerichtet worden, berichtet Vahlenkamp. Die Stadt habe die Geschehnisse allerdings bisher kaum aufgearbeitet. Der Opfer werde kaum gedacht, kritisiert der Politikwissenschaftler. Das fanden dann auch andere Medien interessant. Auf einmal tauchte die Petition und das Thema Hexenverfolgung in Hamburg an vielen Stellen auf. Genauer: im ZEIT-Newsletter Elbvertiefung, bei Elbmelancholie, im NDR und im Abendblatt.
Die Petition kommt mittlerweile auf über 200 Mitzeichner – für die Forderung nach einem neuen Straßennamen ist das beachtlich. Mittlerweile gibt es auch Neuigkeiten aus der Forschung, wie der evangelische Pfarrer Hartmut Hegeler aus Unna zu berichten weiß: In Hamburg und seinen Ortsteilen seien demnach von 1444 bis 1738 nicht nur gut 40, sondern mindestens 101 Verfahren gegen mutmaßliche Hexen, Zauberer und Wahrsager angestrengt worden. Dies gehe aus neuen Forschungen am Deutschen Hexendokumentationszentrum im Museum Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden hervor.
Unbemerkt
Wann haben Sie das letzte Mal nach einer Telefonzelle gesucht? Vermutlich eine ganze Weile her. Und doch, es gibt sie noch. Sie sind jedoch akut vom Aussterben bedroht, wie der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Kruse vor Kurzem nebenbei aufdeckte. In einer Kleinen Anfrage verlangte er vom Senat Auskunft zum WLAN-Ausbau in Hamburg, erfuhr aber nicht viel Neues. Wie sich die angekündigte Abschaffung der Störerhaftung auf das öffentliche WLAN-Angebot in Hamburg auswirken werde? Das könne man noch nicht sagen. Der Probebetrieb der Hochbahn laufe wie angekündigt und die S-Bahn evaluiere, ob auch sie WLAN anbieten werde.
Abschließend dann wollte Michael Kruse wissen, wie viele öffentliche Telefonzellen es in Hamburg noch gebe – vor allem, um zu erfahren, inwiefern diese WLAN-Empfängern als Access Points dienen könnten. Die Antwort des Senats: 445 insgesamt, 400 davon würden von der Deutschen Telekom als Hotspots genutzt.
445 Telefonzellen – das sind noch einmal 134 weniger als im Vorjahr! Anfang 2014 gab es noch 750, Anfang 2012 mit 1.066 mehr als doppelt so viele. Wie die Welt berichtet, habe es in Hamburg zuletzt 2008 einen Höchststand von 2.171 öffentlichen Fernmeldern gegeben. Mittlerweile gibt es also nur noch rund ein Fünftel der Telefonzellen von vor acht Jahren. Vermissen tut sie kaum jemand.
Bleibt nur eine Frage: Was erlebt Hamburg eher – den Abbau der letzten Telefonzelle oder die Benennung der ersten Straße nach einem Hexenprozessopfer?
Das Leben in Hamburg ist selten voraussehbar. Die Kollegen des Onlinemagazins „Elbmelancholie“ haben deshalb für ZEIT ONLINE die Kolumne „Unerwartet & Unbemerkt“ entwickelt. In ihr berichten sie einmal im Monat über ein Thema, das die Stadt unerwartet traf – und über eines, das kaum jemand wahrnahm.