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Dynamo Dresden - FC St. Pauli

Was ist nur mit dem Alten los?

 

Urs Willmann sitzt zwischen hohen Alpengipfeln im Funkloch. Seine neue Sparringspartnerin erzählt ihm deswegen, was im Fußball wirklich wichtig ist.

Ich (Ana) bin bereit für den (eigentlich) 3. Spieltag: Zurück aus dem Urlaub, den Rückenwind aus dem 3:0-Sieg im Pokal dezent spürend (ein Kräuseln noch, immerhin) und hoch motiviert, nach dem Drücken der Reset-Taste die Saison jetzt einfach noch mal neu zu starten.

Bewaffnet mit einem Bierchen sitze ich mit einer Freundin in der Fankneipe Jolly Roger und singe mich leise warm, um gleich das allerallererste Spiel der brandneuen Saison gegen Dynamo Dresden bestreiten zu können.

Und mein Vater Urs? Der hat gerade eine schlaflose 48-Stunden-Wanderung hinter sich und ruckelt mit dem Zug von Funkloch zu Funkloch aus dem Süden Europas in Richtung Hamburg, offenbar ohne Liveticker…

In der 9. Spielminute empfange ich eine Nachricht: „Hallo Ana, der Markus (der von der Julia, der lustige) hat mir grad gemeldet, dass wir 1:0 führen. Heißt bei uns ein Neuer Lambertz, oder wars Eigentor Dresden?“

Oje, was ist nur mit dem Alten los? Tatsächlich ist gerade eben ein Tor gefallen. Durch Lumpi Lambertz, den Dresdner. Und es war definitiv KEIN Eigentor!

Ich glaube, ich muss jetzt schleunigst meinen Vater über das Spiel korrekt informieren. Darüber, dass unsere Mannschaft einen Angriff über mehrere Stationen mit nur jeweils einem Kontakt sauber herausgespielt hat, das Zusammenspiel also ganz gut lief, dann aber Dresden durch Lumpi ….

Zweite Nachricht aus dem Zug: „So ein Mist! Falschmeldung. Der Markus sitzt beim Portugiesen, futtert Tapas und konnte das Display seines Handys nicht richtig lesen, weil die Sonne zu fest scheint. Ana, ich brauche seriöse, top-recherchierte Informationen zum Spiel! Wir müssen schließlich noch eine Kolumne schreiben!“

Höchste Zeit, dass mein Vater die wichtigsten Infos von mir überliefert bekommt! „Im Jolly Roger kann man super Auswärtsspiele gucken“, schreibe ich zurück. „Die Luft ist so rauchig, dass man meint, da hätte einer Pyro gezündet, aber alle Wände sind herrlich voll mit Stickern, Schals und Graffiti-Taggs. Sehr coole Atmosphäre!“

„Äääääähhhh: Und wie läuft’s im Stadion??“ fragt Papa.

„Gut!“, antworte ich, „Eben haben sie ‚FC St. Pauli – schalalalalalala‘ gesungen. Jetzt kämpfen unsere Fans mutig mit ‚Allez St. Pauli‘ gegen die Dresdner Fans an, aber die übertönen mit einem komischen Klatsch-Lied.“

Mein Vater hat nicht nur schlechte, bei Sonnenschein leseunkundige Informanten, sondern auch ausgesprochen miese Nerven. Er schreibt nämlich: „WAS? PASSIERT? AUF? DEM? RASEN?“

Ich berichte nun brav, dass sich sonst zur ersten Halbzeit nicht viel  Spannendes sagen lässt. Vereinzelt Chancen auf beiden Seiten, doch St. Pauli kommt letzlich nicht richtig ins Spiel.

In der 2. Halbzeit läuft mehr. Vor allem die letzten 30 Minuten nutzen unsere Braunweißen gut, um Druck zu machen. „Ein super Pass in die Tiefe von Nehrig! Leider verpasst Picault ihn“, schreibe ich Papa – keine Antwort.

Dass unsere Fans trotz Rückstand lauter sind als die Dynamo-Anhänger, schreibe ich nicht. Das scheint den Gegengeraden-Urs nicht zu interessieren. Stattdessen protokolliere ich: „Miychiati kommt für Choi.“ – Keine Antwort.

„Freistoß für uns! In die Mauer, Handspiel wird reklamiert, die Ecke danach führt zum Konter und fast zum 2:0!!“ – Mein Handy bleibt stumm.

„Himmelmann rettet und macht wieder wett, dass er beim Gegentor nicht so gut aussah!“– Wieso antwortet Urs nicht?

„Wir hauen nochmal alles raus und befinden uns im Dauerangriff!“

„Bouhaddouz, Picault und Miychiati sorgen für Wirbel, kommen leider nicht durch.“

„Dresden verteidigt solide, kontert.“

„Ärgerlich, jetzt überrollen die Dynamo-Gesänge doch noch, was unsere sonst sehr lobenswerten mitgereisten Fans zum besten geben. Klingt nicht gut!“

„Das wars… Schlusspfiff! Verloren und immer noch kein Punkt auf dem Konto.“

„Sah aber besser aus als im Pokalspiel gegen den Viertligisten Lübeck“, schicke ich mein Fazit per SMS an meinen in der Versenkung verschwundenen Vater. Keine Ahnung, was mit ihm los ist? Soviele Funklöcher gibt es doch gar nicht zwischen Südtirol und Hamburg!

Eine Stunde nach Abpfiff kommt endlich eine Nachricht: „Mist! Und danke für die 23 SMS. War nur ganz kurz eingenickt. Im September rollen wir das Feld von hinten auf!!! Hast du schon eine Idee, was wir über das Spiel schreiben könnten?“