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St. Pauli

Wieso bin ich eigentlich gegen eine Seilbahn auf St. Pauli?

 

Auf den ersten Blick hört sich die Idee doch gut an: Eine Seilbahn über die Elbe, die beide Ufer miteinander verbindet. Wie kann man denn dagegen sein, wenn Menschen mondän über die Elbe schweben? Das frage ich mich auch, denn in meinem Lebensumfeld sind beinahe alle gegen eine Seilbahn von St. Pauli zu den Musicalzelten am anderen Hafenufer.

Ich bin über 35 Jahre alt und laut Douglas Adams* permanent in Versuchung, Neuerungen als Verstoß gegen die natürliche Ordnung des Universums anzusehen. Deswegen habe ich mir angewöhnt, meine Ablehnung Neuem gegenüber kritisch zu hinterfragen – immerhin kann es ja nicht dauernd so weitergehen, wie es die letzten 20 Jahre war, in denen ich erwachsen über unseren Kiez gestolpert bin. Irgendwann fangen die Leute an, in einem den verbiesterten Festhalter zu sehen, der man nie werden wollte.

St. Pauli, Landungsbrücken mit Seilbahn. Foto: dpa, Stage Entertainment GmbH
St. Pauli, Landungsbrücken mit Seilbahn. Foto: dpa, Computeranimation: Stage Entertainment

Und so eine Seilbahn sieht doch auch schick aus, wie sie so über die Elbe gondelt.  Zumindest auf den Computergrafiken der Stage Entertainment, die mit ihr die Besucher ihrer Musicalzelte lukrativ über die Elbe bugsieren will (eine Fahrt soll zehn Euro kosten).

Eigentlich bin ich auch nicht gegen die Seilbahn, sondern gegen die Art und Weise, wie dieses klassische Investorenmodell als “Geschenk” verkauft werden soll, wie es der Initiator des ersten “kommerziellen Bürgerbegehrens”, Thomas Magold, nennt. Ein “Geschenk”, das den Anwohnern St. Paulis und in der Neustadt offenkundig wenig bringt und dessen Verheißung sich womöglich in Baulärm, Verkehrskollaps und Mehrkosten verwandelt, die dann diejenigen zu tragen hätten, die sowieso schon unter enormem Wandlungsdruck stehen, neudeutsch Gentrifizierung genannt. Wie schon so oft zuvor in diesem hippen Stadtteil, dessen eigene Entwicklung vom Hamburger Stadtmarketing und von Immobilien-Konzernen erstickt wird.

Solange man mir nicht einleuchtend klar machen kann, wieso solch eine Seilbahn nicht bis nach Wilhelmsburg und andere Stadtteile gegenüber führt (und der Verweis auf das Hafenentwicklungsgesetz von 1982 reicht mir hier nicht), bevor man bei so etwas Einfachem, wie der Gestaltung der Fahrpreise nicht an die Bewohner denkt, beispielsweise durch regelmäßige Freifahrten für Hamburger Bürger, solange fühle ich mich an das Projekt IKEA in Altona erinnert.

Auch hier wurde jeder Bedenkenträger als rückwärtsgewandter Fortschrittsverhinderer dargestellt. Doch deren düstere Prognosen haben sich heute, noch vor der Eröffnung des selten hässlichen Möbelklotzes, eine nach der anderen bewahrheitet.

Solange die Seilbahnpläne bleiben, wie sie sind, werde ich also gegen dieses Projekt sein – auch wenn ich die Idee an sich für ganz charmant hielt.

Zum Weiterlesen:

* “Alles, was nach deinem 35. Lebensjahr erfunden wird, richtet sich gegen die natürliche Ordnung der Dinge.”, Douglas Adams, Lachs im Zweifel