Der Altbundeskanzler und ZEIT-Herausgeber Helmut Schmidt ist tot. Er starb am 10. November 2015 im Alter von 96 Jahren in seinem Haus in Hamburg.
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Sein Pragmatismus war oft schwer zu verstehen. Seine Analysen allerdings, die er in Büchern nach seiner Kanzlerschaft vertrat, sind bis heute lehrreich und helfen, weltpolitische Zusammenhänge zu begreifen. Dafür gebührt ihm mein Dank.
Ein Mensch, ein großer Politker und Europäer ist gegangen. Ich vermisse seine klaren Worte und hoffe, dass sein Geist wiedererweckt wird in unserer ach so armen Gesellschaft.
Ein großer Mann, ein Vorbild in jeder Hinsicht. Zu seiner Amtszeit war ich leider noch nicht auf der Welt, aber der Respekt und die große Wertschätzung, die diesem Mann entgegen gebracht wird, beeindruckt selbst die jüngere Generation.
Helmut Schmidt war der Kanzler meiner frühen Kindheit und der Schwarm meiner ebenfalls norddeutschen Großmutter.
Es ist, als wäre auch ein wenig politische Stabilität mit ihm gegangen.
Was für ein bemerkenswertes Leben.
Er war der Kanzler meines Vaters, meines Mannes und meiner Überzeugung.
Ein Mann der politisch zu seinem Wort gestanden ist, globale Zusammenhänge erfassen und schildern konnte wie selten ein anderer.
Danke, Helmut Schmidt!
Was ich dazu noch sagen wollte…
Es gibt Momente, die vergisst man nicht. Ein Leben lang. Sie sind tief in dir und zumeist schlummern sie dort, ohne dass du dir ihrer ständig bewusst bist. Doch haben sie etwas Elementares, das dich bestimmt und dich erkennen lässt, wer du bist, für was du stehst. Sie sind es, die gerade dann dein Innerstes bewegen, wenn der Impuls unverhofft und von außen kommt, auf dich wirkt – wenn du etwas siehst, hörst, fühlst, schmechst oder riechst, das dich an diesen einen so elementaren Moment erinnert. Dann läuft ein Film in dir ab und du weißt genau wo, an welchem Ort du warst, als es passierte, wer bei dir war, welche Kleidung du trugst und was du gerade zu erledigen hattest. Der Einsturz der Twin Tower des World Trade Centers ist so ein Moment, der sich auf meine Netzhaut eingebrannt hat. Für jene, die, wie ich, ein paar Jahresringe mehr um sich haben, war und ist es die Nachricht vom Tode John F. Kennedys, die eine ganz bestimmte Szenerie in mir abspulen lässt.
Der 1. Oktober 1982, ein Freitag, ist für mich so ein Elementarteil. Es war warm, zu warm um diese Jahreszeit. Mein roter Opel GT hoppelte mit mir nordwärts über die A7, auf dem Weg zu einer Fortbildung meines Arbeitgebers – meine Rhetorik sollte Feinschliff erhalten. Wer mich, auf dem Weg durch Schleswig-Holstein, ab Neumünster begleitete, war kein geringerer, als der Meister seines Fachs: Helmut Schmidt. So sehr ich ihn stets für diese Gabe bewunderte, erlebte ich – wohl die Ironie des Schicksals – just an diesem Tag die größte Ohnmacht seines Könnens: es war seine letzte Rede als Kanzler der Nation, kurz bevor das Konstruktive Misstrauensvotum ihn in diesem Amt zu Fall brachte.
Für all jene, die nicht das Aufblühen der sozial-liberalen Koalition als ein Aufbegehren gegen den Vietnamkrieg, gegen unsoziale Umverteilung von Kapital und Macht, von ungleichen Bildungschancen in der Gesellschaft miterlebt haben, ist meine Reaktion, die eines damals politisch noch zaghaft denkenden Menschen, auf diese Rede vielleicht nicht begreifbar: ich fuhr auf den nächstbesten Parkplatz – und weinte. Es war für mich das Ende einer politischen Umgestaltung, die nun, wohl für lange Zeit, eine gänzlich andere Handschrift tragen würde. Es war wie das Erwachen aus einem Traum, den damals viele Menschen um die Dreißig als heilsbringende Never-Ending-Story empfunden hatten, als Befreiung einer noch von der Kriegs- und Nachkriegsepoche geprägten Zeit. Und Helmut, ein eigentlich konservativer, mitunter arrogant wirkender Vertreter seiner Partei, zudem noch umstritten in den eigenen Reihen, war für viele Wählerinnen und Wähler ein Garant für den Fortbestand praktizierter Gerechtigkeit. Auch für mich.
Lange Jahre danach kam dieses Bild in mir irgendwann wieder hoch, das Elementarteil: der Parkplatz, die Arme auf dem Lenkrad verschränkt, Tränen in den Augen. Es machte sich leichte Wehmut in mir breit, bei dem Gedanken an den Politiker, der eigentlich immer symbolhaft für meine Anfang der Siebziger Jahre aufkeimende politische Gesinnung stand. Ich war weit davon entfernt ihm eine Aura zu verleihen, die man einem Idol aus jungen Jahren unreflektiert anhaftet, von denen man Poster wie die von Che Guevara oder Jimi Hendrix aufhängt und auf naive Weise schwärmt. Dennoch: Helmut Schmidt war mir politisch nahe, das schon, auch als ich irgendwann dazu tendierte, mehr in Grün zu denken und zu handeln. Als politische Autorität, als Person, die dafür stand, ist er mir bis heute geblieben. Wenn er betonte, nicht als Vorbild gesehen werden zu wollen, eher als Staatsmann, als politisch handelnde Person, empfand ich das als eine schöne, stille Übereinstimmung mit ihm. Dann war er mir nahe.
Persönlich habe ich ihn nie kennengelernt. Doch um seine Nähe zu spüren, war das nicht notwendig. Ich war und bin ihm deshalb so verbunden, weil er als Mitherausgeber der „Zeit“ und als politischer Charakter, dessen Wort zu gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Dingen Gewicht hatte, diese seine Meinung auch mit der ihm eigenen Kantigkeit zum Ausdruck brachte. Er war nicht selten unbequem, das ist wohl war, auch nicht immer beliebt. Doch mit der politischen Größe, die er besaß, zollte man ihm Respekt. Das zeichnete ihn für mich aus. Selbst politische Gegner brachten ihm, wenn auch bisweilen versteckt und unfreiwillig, die Achtung für einen in sich durch und durch überzeugten Demokraten entgegen.
Mir war damals, im Rückblick an diese an Endzeitstimmung erinnernde Rede eigentlich klar, dass Helmut Schmidt, zumindest noch einmal, in mir ein derartiges Elementarteil bewegen würde. Jetzt, da er Abschied nahm, ist es soweit.
1976 durfte ich zum ersten Mal wählen und diese Wahl nebst politischer Meinungsbildung ist für mich untrennbar mit Helmut Schmidt verbunden. Wir führten in unserer Familie damals hitzige Diskussionen über die richtige politische Einstellung und wer zu wählen sei (CDU), wohingegen ich mehr zur SPD neigte. In der Wahlkabine wurde mir damals bewusst, was eine freie und geheime Wahl ist. Und Helmut Schmidt wurde als Kanzler bestätigt. In den vergangenen Jahren schätzte ich seine Beiträge in der ZEIT, sein unverrückbares Engagement für Europa, seine dezidierte Meinung zu vielen Themen, seine Gespräche mit Giovanni di Lorenzo. Immer empfand ich Helmut Schmidt als einen integren Menschen, der sich nicht von Moden gleich welcher Art leiten ließ. Ich fühle mit seinen Angehörigen und seiner Stadt. Ich bin traurig.
Ich wünsche mir, dass er, da wo er jetzt ist, den lieben Gott davon überzeugen kann, mehr Vernunft auf die Menschheit regnen zu lassen. Und ich bin sicher, er schafft das!
Vielen Dank für Alles, Helmut Schmidt!
Wenn man 96 Jahre alt wird, ist es in Ordnung zu gehen. Vor allem, wenn man Helmut Schmidt heißt und noch dazu ein ganzes Jahrhundert geprägt hat, wie es seinesgleichen sucht. Große Flut von 62, RAF-Terrorismus, NATO-Doppelbeschluss, europäische Einigung – es gibt viele Beispiele.
Was mich als 72 Jahre jüngerer Mensch jedoch besonders beeindruckte, war sein messerscharfer Verstand und rhetorische Logik bis ins hohe Alter, seine Liebe zu Immanuel Kants Pflichtethik und sein ökonomisches Gespür. Auch Helmut Schmidts Vorbildfunktion kann ich es verdanken, dass ich mich später in meinem Studium trotz geisteswissenschaftlicher Vorlieben um das große Ganze zu verstehen für ökonomische Sachverhalte öffnete.
Nicht zuletzt: Besonders fehlen werden mir seine Einschätzungen der aktuellen politischen Lage und die Kolumne „Auf eine Zigarette/Verstehen Sie das, Herr Schmidt“ Es hat einfach immer alles Sinn ergeben.
Ich danke Ihnen sehr, Herr Schmidt.
Und nun qualmen Sie den Himmel zu.
Herr Schmidt war ein direkter, ehrlicher und enthusiastischer Mensch, der immer an andere dachte. In der Hoffnung, dass viele andere ihm folgen, nachdem sie sein Lebem analysiert haben. Nur so kann die Welt besser werden!
Dr. Claudia Becker