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Goldener Irrtum

 

Die große Enttäuschung der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten ist der Goldpreis. Was wurde ihm nicht alles angedichtet und nachgesagt? Gold sei die einzige Versicherung gegen Inflation, der sichere Hafen, wenn gar nichts mehr sicher ist. Ich gestehe, auch ich habe solche Sätze geschrieben. Und jetzt? Wie ein billiger Emerging Market kracht der Goldpreis ein, wie Russland oder Indien. Dabei ist die globale Inflationsangst so groß wie seit mindestens sechs Jahren nicht mehr. Dabei ist die Verunsicherung an den Märkten auf einem Zweijahreshoch.

Zeitgleich mit allen anderen spekulativen Assetklassen hat auch Gold seinen Höchststand im ersten Mai-Drittel bei 730 Dollar die Unze erreicht, um bis gestern auf 543 Dollar abzustürzen. Das sind rund 25 Prozent und entspricht damit in etwa der Korrektur, die alle Emerging Markets durchmachen mussten.

Eine interessante Erklärung für dieses Verhalten liefert die Truppe um Steve Barrow bei Bear Stearns. Sie schreibt in ihrem Tageskommentar, dass der Goldpreis wohl nur eine Funktion der globalen Liquidität sei. Wenn diese hoch sei, sei auch der Goldpreis fest und vice versa. Der Aufbau von Reserven bei den Zentralbanken sowie die globale Geldmenge treiben den Goldpreis, nicht Inflationssorgen und die Angst vorm Kollaps des Dollar.

Sie schlussfolgern: Selbst wenn die globale Inflationsangst weiter zunehmen sollte, dürfte der Goldpreis nicht mehr an seine alten Hochs herankommen, es sei denn, es gebe einen erneuten Liquiditätsschub, wonach es aber momentan überhaupt nicht aussehe. Ich finde das ganz einleuchtend.

Ansonsten verhält es sich an den Märkten ungefähr wie vorhergesagt. In meinem Kommentar „Es scheppert nur“ vor drei Wochen hatte ich mein Bauchgefühl bemüht und für den Dax ein Abrutschen auf 5.200 in den Raum gestellt. Da war er gestern fast. Der Rutsch ging jetzt schnell, weshalb die Erholungsbewegung nicht überrascht. Allerdings nehme ich nicht an, dass es das schon war. Die dritte Verkaufswelle fehlt noch. Sie dürfte den Dax sogar unter 5.000 Zähler führen. Ich halte es, wie im jüngsten ZEIT-Artikel vorgeschlagen: Noch zu früh zum Kaufen. Zum Verkaufen aber wahrscheinlich schon zu spät.

PS: Eine Zahl, die jeden Staatsbürger interessieren dürfte: Der Kurssturz bei Gold hat das deutsche Volksvermögen um gut 15 Milliarden Euro verringert. Die Bundesbank, die auf dem weltweit zweitgrößten Goldschatz (3.400 Tonnen) sitzt, weigert sich bislang beharrlich auch nur eine Unze zu verkaufen – ohne den Souverän darüber in Kenntnis zu setzen, was sie mit dem Schatz anzufangen gedenkt. Wenn die so weiter machen, notiert Gold wieder bei unter 300 Dollar die Unze und weitere 20 Milliarden Euro Volksvermögen lösen sich in Luft auf.