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Bundesbankpräsident mutiert zum Cheflobbyisten

 

Es ist etwas Besonderes, wenn sich der Bundesbankpräsident ans Volk wendet. Das tut er äußerst selten, weil die normalen Irrungen und Wirrungen der Geldpolitik nun wirklich nicht interessant sind. Heute war es mal wieder so weit. Über die BILD-Zeitung sprach Axel Weber zur deutschen Bevölkerung (Teil zwei des Interviews folgt morgen!). Botschaft eins: Der Aufschwung ist da, die deutsche Wirtschaft wächst dieses Jahr mit einer Zwei vor dem Komma (Applaus, Applaus). Warum die Bundesbank das erst jetzt merkt und bislang eher zu den Wachstumsskeptikern (1,5 Prozent) gezählt hat, verrät er nicht.

Botschaft zwei: Schön, dass die Regierung nächstes Jahr die Finanzen zu konsolidieren gedenkt. Besser als es über die kräftige Anhebung der Mehrwertsteuer zu tun, wären allerdings Einschnitte bei den Ausgaben. Dort könnte locker mehr gespart werden. Dass der Haushalt auch über ein kräftiges Wirtschaftswachstum konsolidiert werden kann, so haben das beispielsweise England und Amerika in den 90er Jahren gemacht, verschweigt „Deutschlands einflussreichster Banker“ (BILD).

Der Hammer aber ist Botschaft drei: „die mäßige Lohnpolitik muss unbedingt fortgesetzt werden.“ Und weiter: „Deutlich mehr Einstellungen sind nur möglich, wenn Arbeit nicht noch teurer wird.“ Auf die berechtigte Nachfrage, wie der Konsum denn anspringen solle, wenn die Leute nicht mehr Geld in der Tasche hätten, folgt eine entlarvende Antwort: „Die Unternehmen können in Deutschland keine Arbeitsplätze dauerhaft finanzieren, die nicht auch durch ihre Produktivität im internationalen Wettbewerb bestehen können. Die mäßige Lohnpolitik ist eines der deutschen Erfolgsrezepte. Deshalb ist der Standort Deutschland ganz klar gestärkt aus den schwierigen letzten Jahren herausgekommen.“ So spricht der Cheflobbyist der deutschen Exportindustrie, aber doch kein Bundesbankpräsident!

Nie würde ein Bundesbankpräsident für kräftige Lohnerhöhungen plädieren, das liegt an der Asymmetrie im Kapitalismus: Hohe Gewinnsteigerungen stören die Notenbanker nicht, da sie die Inflation nicht tangieren, hohe Lohnsteigerungen dagegen sind der Treiber der Inflation schlechthin. Deshalb will keine Notenbank der Welt, die sich dem Kampf der Inflation verpflichtet fühlt, kräftige Lohnerhöhungen sehen. Doch zwischen kräftigen Lohnerhöhungen und mäßigen, gibt es ja auch noch normale. Und normal wären Inflationsausgleich zuzüglich ein Anteil am Produktivitätsfortschritt. Doch selbst die will Weber nicht sehen. Fragt sich warum?

  1. Dass sich die deutschen Unternehmen keine höheren Löhne leisten können, ist reine Folklore. In den vergangenen 25 Jahren lagen die Stückgewinne der deutschen Industrie noch nie so hoch wie zurzeit. Das hat Sylvain Broyer von der französischen Investmentbank Ixis berechnet. Stückgewinne sind das Pendant zu Lohnstückkosten, also wie viel Gewinn pro produzierter Einheit hängen bleibt. Da ist durchaus Luft für normale Lohnerhöhungen drin.
    Stueckgewinne Dt Verarb Gewerb
  2. Weber zählt im Interview einen festeren Euro-Wechselkurs und die Abschwächung in Amerika und China zu den Risikofaktoren des Wirtschaftswachstums. Wie bitte soll Deutschland nächstes Jahr wachsen, wenn die Risiken eintreten und die Binnennachfrage wegen fehlender Lohnerhöhungen und Steuerbelastungen ebenfalls ausfällt. Weber scheint vergessen zu haben, dass der private Verbrauch 60 Prozent zum BIP beisteuert.
  3. Die zunehmenden Spannungen innerhalb Eurolands, auf die ich im Blog schon häufiger eingegangen bin, verschärft der Bundesbankpräsident mit seiner Forderung.
  4. Wie gefährlich „das deutsche Erfolgsrezept“ der Exportförderung ist, hat unlängst Adam Posen vom IIE in einem Gastbeitrag der Financial Times gezeigt. Der Wohlstand der Bürger werde angefressen, alte Strukturen erhalten, neue, gut bezahlte Arbeitsplätze verhindert, kurzum: Eine solche Strategie wie Deutschland sie verfolgt sei selbstzerstörend! Ein absolut lesenswerter Beitrag, den mal jemand Axel Weber in die Arbeitsmappe legen sollte.