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Die Fed und die Blase

 

Nachdem die Liquiditätskrise auf dem Geldmarkt erst mal überstanden zu sein scheint, stellt sich die Frage, wer schuld an ihrem Auslöser ist, der Blase auf den Immobilienmärkten.

Die Krise kam mit Ansagen: Wer in den letzten zwei Jahren auch nur an einer einschlägigen Zeitschrift vorbeiging, musste etwas von der Blase am US Immobilienmarkt gehört haben, und dass sie irgendwann platzen müsste. Das war dann im Frühjahr des vergangenen Jahres der Fall. Spätestens seit Anfang des Jahres war bekannt, dass es bei den schlechten Hypothekenkrediten, den sogenannten Subprimes, die den Immobilienboom mit genährt hatten, ein ernsthaftes Problem gab. Das Ende der Blase am Kreditmarkt war damit auch abzusehen. Nur war nicht klar, wann der Crash kommen würde. Alles getreu den Worten Rüdiger Dornbuschs, dass man meistens weiß, dass etwas aus dem Lot geraten ist und daher korrigiert werden muss, aber nie, wann das passieren wird. Ungleichgewichte halten sich länger als so mancher Ökonom wahrhaben möchte.

Jetzt haben wir also die Krise. Den Startpunkt setzten die amerikanischen Häuslebauer, die ihre Hypothekenkredite nicht mehr bedienen konnten. Durch die laxen Kreditbedingungen hatten sich viele Leute den amerikanischen Traum vom Eigenheim erfüllen können, obwohl sie eigentlich gar nicht die Mittel dazu hatten. Viele Schuldner brauchten zuletzt nicht mal mehr ihr Einkommen nachzuweisen. Sehr populär waren auch Hypotheken, bei denen in den ersten Jahren nicht getilgt zu werden brauchte, oder bei denen die Zinsen auf die erst später zu tilgende Schuld aufgeschlagen wurden. Zudem waren die Zinsen oft flexibel. Das gab für viele ein böses Erwachen, als es schließlich ans Festsetzen der endgültigen Konditionen und das Rückzahlen ging. Die kurzen Zinsen waren von der Fed seit Mitte 2004 in raschen Schritten von 1 Prozent auf 5,25 Prozent angehoben worden. Mit ihnen stiegen auch die floating rate-Hypothekenzinsen. So lange die Zinsen gering waren, war der Schuldendienst kein Problem – danach aber begannen die Kreditdominos zu purzeln.

Die standen auch schon hübsch aufgereiht in den Büchern von Investmentfonds, Hedge Fonds und großen Versicherungen. Dahin waren sie durch die Verbriefungsstrategie der Banken gekommen. Die Banken waren scharf auf Hypothekenkredite – auch solche minderer Qualität – weil sie diese in Wertpapiere verwandeln und verkaufen konnten. Damit waren die Kredite alsbald wieder aus den Büchern der Banken verschwunden und damit erstmal auch das Risiko. Weil das Rating dieser Papiere – der berühmten Mortgage Backed Securities (MBS) – erstaunlich gut war und daher trotz attraktiver Renditen solide Anlagen suggerierte (ein Skandal, wie sich jetzt herausstellt), rissen Hedge Funds, Investment Fonds und Versicherungen sie den Banken aus den Händen. Die Banken haben den Hedge Funds zudem nicht selten die Kredite gegeben, mit denen sie die MBSs kaufen konnten. Da kann man nur staunen.

Dadurch ist ein undurchsichtiges Geflecht zwischen dem US-Immbilienmarkt und den verschiedenen Akteuren auf den Finanzmärkten entstanden, in dem niemand mehr so richtig weiß, wo welche Risiken liegen. Nachdem die Immobilienblase geplatzt war und auch die Finanzmärkte erreicht hatte, führte das zu einer Vertrauenskrise in den Märkten, der Liquiditätskrise, die wir die letzten Tage erlebt haben. Die Banken trauten sich nicht mehr gegenseitig und waren nicht mehr bereit, einander Liquidität zur Verfügung zu stellen. Niemand wusste schließlich, ob nicht die Gegenseite auf minderwertigen MBSs saß. Die nächsten Tage und Wochen werden noch für einige Überraschungen sorgen, scheint mir.

Bei der Suche nach dem Schuldigen stehen aber nicht nur die Hypothekenbroker, die Geschäftsbanken, die Ratingagenturen oder die anderen großen Finanzmarktakteure unter Verdacht. Viele sehen als Hauptschuldigen die Fed. Sie hatte die Zinsen zwischen 2001 und 2003 von 6,5 Prozent auf nur 1 Prozent gesenkt, wo sie bis Mitte 2004 blieben, und so die Preishausse auf dem Immobilienmarkt erst möglich gemacht. Auch an den Aktienmärkten kam es zu kräftigen Kurssteigerungen.

Der Fed wird vorgeworfen, dass sie ihre Politik unter der Leitung von Alan Greenspan zu sehr darauf ausgerichtet hatte, Einbrüche an den Kapitalmärkten zu vermeiden oder abzufedern, etwa 1998 bei der Zinssenkung nach der Russlandkrise und dem Zusammenbruch des Hedge Funds LTCM und 1999, um einer eventuellen Computerkrise an Sylvester 2000 vorzubeugen. Den Greenspan-Put nennen Finanzmarktakteure das: Ein Put ist die Option eines Investors, ein Wertpapier zu einem vorher definierten Preis zu verkaufen, um sich damit gegen Verluste abzusichern. Man konnte also getrost auf immer steigende Kurse setzen, in der Gewissheit, dass Alan die Spekulanten schon raushauen würde. Auf gut Deutsch nennt sich das ganze Moral Hazard. Jetzt warten alle gespannt darauf, ob Bernanke ebenso verfahren wird. Wird es einen Bernanke-Put geben?

Die zentrale Frage scheint mir dabei zu sein, was nach dem Platzen der Dotcom-Blase und dem 11. September 2001 die Alternative gewesen wäre. Die ganze Ökonomie abschmieren lassen, wie man es in Deutschland nach dem Ende der Dot.com-Euphorie getan hatte? Hier hatten wir fünf Jahre Rezession, in den USA wuchs die Wirtschaft mit durchschnittlich 2,7 Prozent pro Jahr. Dabei ist nicht nur die US-Arbeitslosigkeit verschwunden, die USA haben die gesamte Weltwirtschaft mitgezogen und damit indirekt auch die Exporte Deutschlands aufgepäppelt. Ohne diese Wachstumsimpulse aus dem Export wäre die wirtschaftliche Lage Deutschlands noch schlimmer gewesen.

Eine andere Möglichkeit, 2001 die US-Wirtschaft vor Rezession und Deflation zu retten, hätte die Fiskalpolitik bieten können. Die hatte die Bush-Regierung auch eingesetzt, allerdings mit nur magerem Erfolg. Ein großer Teil der damaligen Steuersenkungen ist allein den oberen Zehntausend zugute gekommen, was nicht viel zum Wachstum, aber viel zur Steigerung der Ungleichheit beigetragen hat. Das ist so weit gegangen, dass selbst Millionäre Petitionen für höhere Steuern unterzeichnet haben. Gerade in einem Land, in dem das Wachstum vor allem auf dem Massenkonsum basiert, war diese Politik verfehlt.

Zudem steht die Fed vor dem Problem, dass die Entwicklung der langfristigen Zinsen – die für Immobilienkredite entscheidend sind – nicht mehr allein von der eigenen Wirtschaftspolitik abhängt, sondern auch von der Chinas und anderer Länder mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen, die Dollar Reserven ansammeln. Da China seine riesigen Devisenreserven vor allem für den Kauf von US-Anleihen nutzt, hat es dazu beigetragen, die langfristigen US-Zinsen gering zu halten und die Immobilienblase immer größer werden zu lassen. Das führte zu der erstaunlichen Situation, dass die langfristigen Zinsen bei steigenden kurzfristigen Zinsen nicht nach Textbuchmanier stiegen, sondern zunächst sogar fielen. (Greenspans Conundrum)

Natürlich haben die niedrigen Zinsen zwischen 2002 und 2004 die Immobilienmärkte stimuliert sowie, über den Vermögenseffekt steigender Häuserpreise, das Wachstum der gesamten Wirtschaft. Was aber hätte die Fed tun sollen, als sie gesehen hat, dass der Immobilienmarkt immer mehr die Bodenhaftung verlor? Hätte sie die Zinsen stärker erhöhen sollen als es allein auf Grundlage der Inflationserwartungen geboten war? Damit hätte sie nicht nur die Nadel in die Immobilienblase (und andere Vermögensblasen) gesteckt, sondern auch die ganze US-Konjunktur mitsamt Weltkonjunktur über den Jordan geschickt. Leitzinsen zur Blasenbekämpfung einzusetzen ist schlicht zu grob, weil die Kollateralschäden zu hoch sind.

Eleganter als Zinssteigerungen wäre eine bessere Finanzmarktaufsicht gewesen. Die niedrigen Zinsen mögen den Immobilienmarkt stimuliert haben, aber erst die laxen Kreditstandards haben den Boom angeheizt und auf erstaunliche Höhen getrieben. Gleichzeitig haben sie auch den Niedergang beschleunigt, weil die Kredite etwa durch flexible Zinsen viel zu sehr von der Geldpolitik und deren Zyklen abhängig gemacht wurden. Auch der wilde Handel mit den verbrieften Hypotheken war, wie gesagt, ein großer Fehler. Mehr Transparenz und klarere Kreditvorschriften hätten hier geholfen.

Auch wenn die Zinspolitik der Fed nach 2001 alternativlos gewesen ist, so hat sich Alan Greenspan persönlich nicht mit Ruhm bekleckert. Er hat zum einen die Steuerpolitik Bushs nach 2001 verteidigt und damit geholfen, die Last der Konjunktursteuerung allein auf die Fed zu schieben. Und er hat persönlich die laxen Kreditstandards unterstützt, als er vielen Häuslebauern geraten hat, ihre Hypotheken nicht mit fixen, sondern mit variablen Zinsen aufzunehmen, weil sie dadurch viel Geld sparen könnten.

Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, ob es sich bei der Finanzkrise nur um einen kleinen Schock handelt oder ob sich tiefer gehende systemische Schwierigkeiten ergeben. Das wäre etwa eine Rezession in den USA und eine große internationale Finanzkrise. Es bleibt spannend.