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Aufschwung ist noch im Takt

 

Drei aufgeregte Wochen mit Turbulenzen an den Finanzmärkten liegen hinter uns. Die Verunsicherung ist groß und die letzten Kellerleichen sind wohl noch nicht gefunden. Die Stimmungsbarometer des ZEW letzte Woche und des Ifo Instituts diese Woche zeigen nach unten. Das Wachstum im zweiten Quartal war schwach. War’s das jetzt mit dem Aufschwung? Eher nicht. Auch wenn die Risiken mit der US Hypothekenkrise gestiegen sind, überwiegen immer noch die positiven Signale, die von der deutschen Wirtschaft ausgehen. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte zeigen nach dem Einbruch im ersten Quartal eine erste Erholung, die sich im Verlauf des Jahres fortsetzen dürfte und die Unternehmen investieren weiter kräftig in ihre Ausrüstung. Gefahr droht von der Finanzierungsseite und dem Kurs, den die Weltwirtschaft einschlagen könnte, falls es zu einer Rezession in den USA kommen sollte. Dass die Kreditkonditionen verschärft werden, ist so gut wie ausgemacht. Aufgrund der guten finanziellen Situation der meisten Unternehmen dürfte der Effekt aber verkraftbar sein. Schwerer wiegt da schon die generelle Unsicherheit, die den noch bestehenden Expansionsdrang abbremsen könnte. Hier wäre ein klares Signal der Wirtschaftspolitik hilfreich, der Wirtschaft etwas Luft zu lassen.

Die detaillierten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt, die das statistische Bundesamt in der letzten Woche veröffentlicht hat, zeichnen ein positiveres Bild als es das magere Wachstum von saisonbereinigt 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal vermuten lässt. Der private Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen, haben mit 0,6 Prozentpunkten zum Wachstum beigetragen. Der private Konsum stieg real und saisonbereinigt um 0,6 Prozent und die Ausrüstungsinvestitionen um 2,5 Prozent jeweils gegenüber dem ersten Quartal.

Privater Konsum 2007 Q2

Ausrüstungsinvestitionen 2007 Q2

Entsprechend beurteilen die vom Ifo Institut befragten Unternehmen die aktuelle Lage genauso gut wie im Juli. Der Index steigt leicht um 0,2 auf 111,8 Punkte. Die Erwartungen für den Rest des Jahres haben sich dagegen wie in die zwei Monaten zuvor noch einmal verschlechtert von 101,7 im Juli auf jetzt 100,4 Punkte. Insbesondere im Baugewerbe wird die Zukunft eher pessimistisch eingeschätzt. Im zweiten Quartal lagen die realen Bauinvestitionen saisonbereinigt um 4,8 Prozent unter ihrem Vorquartalswert, so dass die Binnennachfrage (ohne Vorratsänderungen) letztendlich nur mit 0,1 Prozentpunkten zum Wachstum beigetragen hat.

Bauinvestitionen 2007 Q2

Dass die Bauinvestitionen im zweiten Quartal so stark eingebrochen sind, hat seinen Grund sicherlich auch darin, dass wegen des guten Wetters zu Beginn des Jahres viele Projekte vorgezogen wurden. Vergleicht man den Durchschnitt der ersten beiden Quartale mit dem der zweiten Jahreshälfte 2006 ergibt sich ein Rückgang von 0,3 Prozent, der alleine auf einen verminderten Wohnungsbau zurückzuführen ist. Hier spielt mit Sicherheit der Wegfall der Eigenheimzulage eine Rolle. Zusammen mit der Mehrwertsteuererhöhung haben die Belastungen der Haushalte einiges an Wachstum in diesem Jahr gekostet.

Die Auftragslage im Bauhauptgewerbe deutet aber darauf hin, dass sich hier keine neue Baurezession ankündigt. Sie ist seit Mitte 2005 relativ stabil und bei den Aufträgen im Wohnungsbau gab es nach dem deutlichen Rückgang im ersten Quartal im zweiten Quartal saisonbereinigt wieder einen leichten Anstieg.

Auftragseingang Bau 0706

Während vom Bau in der zweiten Jahreshälfte kaum Impulse ausgehen dürften, kann man bezüglich der Industrie weiterhin optimistisch sein. Die Auftragslage ist hervorragend. Es wird weiter investiert und die Unternehmen erhöhen die Zahl ihrer Beschäftigten. Die Gewinne dürften allerdings nicht mehr so rasant steigen wie in den letzten Jahren. Das Tempo mit dem die Lohnstückkosten in der Industrie fallen, hat sich im zweiten Quartal merklich verlangsamt und die Stückgewinne, also Erzeugerpreise geteilt durch Lohnstückkosten, sind im Vergleich zum Vorquartal sogar gefallen. Gegenüber dem Vorjahr gab es jedoch noch einen Anstieg um 3,4 Prozent. Ein weiterer Indikator für geringere Gewinnzuwächse sind die Unternehmens- und Vermögenseinkommen, wie sie in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausgewiesen werden. Sie stiegen saisonbereinigt im Vergleich zum Vorjahr nur noch um 4,2 Prozent nach 8,1 Prozent im ersten Quartal.

Unternehmens- und Vermögenseinkommen, Gesamtwirtschaft

Vergessen darf man dabei nicht, dass sich die Gewinne nach wie vor auf einem hohen Niveau bewegen. Der Anteil des Faktors Arbeit an der Verteilung des Volkseinkommens hat sich zuletzt zwar wieder leicht auf 65,8 Prozent erhöht. Er liegt damit aber immer noch deutlich unterhalb seines langjährigen Durchschnitts von rund 70 Prozent. Trotz höherer Tarifabschlüsse in diesem Jahr sind die gesamtwirtschaftlichen Lohnkosten bisher nur sehr moderat gestiegen und in der Industrie liegt ihr Zuwachs immer noch deutlich unterhalb des Produktivitätsanstiegs.

Funktionale Einkommensverteilung

Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen ist trotz starkem Euro weiterhin sehr hoch und die Auftragseingänge bei der Industrie aus dem Ausland sind im Juni real und saisonbereinigt um 22 Prozent gestiegen. Wie sich der Export im Laufe des Jahres entwickelt, wird aber auch durch die Konjunktur der Weltwirtschaft mitbestimmt. Noch rechnet der IWF damit, dass der Weltoutput mit rund 5 Prozent und der Welthandel mit rund 7 Prozent in diesem und im nächsten Jahr wächst. Das könnte sich ändern, falls es in den USA doch zu mehr als nur einer leichten Rezession kommt. Ausgeschlossen ist das nicht, aber die Auswirkungen des Niedergangs am US Immobilienmarkt sind nur schwer zu kalkulieren. Man kann allerdings davon ausgehen, dass die US Wirtschaftspolitik mit allen Mitteln versuchen wird eine Katastrophe zu verhindern.

Wie tragfähig der Aufschwung bleibt, hängt also nicht zu letzt an der Binnennachfrage. Gestützt wird sie nach wie vor durch die Investitionen. Sie laufen gut und der Auftragseingang bei den Investitionsgüterproduzenten aus dem Inland lag im zweiten Quartal real und saisonbereinigt um 11 Prozent über dem des Vorjahres. Hier gibt es also noch genug Dynamik. Der Expansionsdrang der Unternehmen könnte allerdings unter der Unsicherheit, wie sich die Krise im Finanzsektor auf die reale Wirtschaft auswirkt, leiden. Ein unmittelbarer Effekt dürfte eine leichte Verschärfung der Kreditstandards sein. Dies geht aus dem letzten Bank Lending Survey der ECB für den Euroraum hervor. Nach dem die Standards im zweiten Quartal noch leicht gelockert wurden, wird für die Zukunft mit einer leichten Verschärfung gerechnet. Die in Deutschland befragten Kreditinstitute hatten auch für das dritte Quartal eine Lockerung erwartet, insbesondere bei der Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen, wie die Bundesbank Anfang August mitteilte. Ob dies so sein wird, ist angesichts der jüngsten Turbulenzen im deutschen Bankensektor eher zu bezweifeln. Eine ernsthafte Gefährdung für die Unternehmensfinanzierung sollte dies aber trotzdem nicht darstellen, da die finanzielle Lage der meisten Unternehmen sehr gut ist.

Die zweite und wichtigste Säule der Binnennachfrage, der private Konsum, hat sich im zweiten Quartal leicht erholt. Im Gegensatz zu den Investitionen ist der Konsum eine ziemlich träge Masse, die nur zögerlich auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert. Die Verunsicherung, die die Haushalte durch die Reformära erfahren haben, ist noch nicht ganz gewichen. Obwohl die Beschäftigung seit Anfang 2006 kräftig gestiegen ist und die Unternehmen weiter Arbeitskräfte einstellen, sind die Haushalte bei ihren Ausgaben immer noch sehr zurückhaltend. Ein wichtiger Grund hierfür ist sicherlich die enttäuschende Entwicklung des verfügbaren Einkommens.

Verfügbares Einkommen und Konsum

Es ist zwar normal, dass im Aufschwung die Lohnentwicklung etwas hinterher hinkt. Dass aber das reale verfügbare Einkommen so langsam wächst wie in diesem Aufschwung, ist schon sehr ungewöhnlich. Den Grund dafür sieht man, wenn man das sogenannte Masseneinkommen betrachtet. Es bildet zusammen mit den Nettoselbständigen- und den Nettovermögenseinkommen das verfügbare Einkommen der Haushalte und setzt sich aus der Summe der Nettolöhne und -gehälter und den monetären Sozialleistungen zusammen.

Die Summe der Nettolöhne ist im Jahresvergleich seit 2002, mit einer kurzen Unterbrechung in 2004, real jedes Quartal gesunken. Erst in diesem Jahr gab es wieder Zuwächse. Gleichzeitig sind seit 2004 die Nettosozialleistungen real gegenüber den Vorjahresquartalen gesunken. Zuletzt so stark, dass trotz des Anstiegs bei den Nettolohneinkommen das Masseneinkommen gesunken ist.

Masseneinkommen

Hierfür dürften zwei Faktoren eine Rolle spielen. Zum einen sollte man erwarten, dass bei einem Rückgang der Arbeitslosigkeit die Sozialleistungen sinken. Gleichzeitig stagnieren aber die nominalen Renten und die nominalen Bezüge von Langzeitarbeitlosen sind mit dem Hartz IV Gesetz auf ein niedriges Niveau abgesenkt worden, von dem sie auch nicht wegkommen, da sie an den Anstieg der Renten gekoppelt sind. Zum anderen steigen die Nettolohneinkommen real langsamer als die Sozialleistungen real sinken. Das könnte heißen, dass sich das Einkommen vieler, die von der Arbeitslosigkeit in eine Beschäftigung wechseln kaum erhöht.

Mit den höheren Tarifabschlüssen in diesem Jahr und der weiter steigenden Beschäftigung sollte das reale verfügbare Einkommen der Haushalte aber wieder stärker steigen als in den letzten Jahren und damit auch der Konsum.

Die bisherigen Triebkräfte des Aufschwungs, also Investitionen, eine gute Auftragslage und ein günstiges weltwirtschaftliches Umfeld, sind noch in Takt und die Unternehmen machen ordentliche Gewinne. Was noch fehlt ist eine Dynamik bei den Einkommen der Haushalte, zu der es jetzt langsam kommen sollte. Gedämpft werden die Aussichten durch die Unsicherheit über die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft. Bisher ist von einer Kreditklemme, welche die Unternehmensfinanzierung gefährden könnte, noch nichts zu spüren. Das psychologische Moment der Unsicherheit ist aber nicht zu unterschätzten.

Die Wirtschaftspolitik ist gut beraten, wenn sie sich nicht im Umfeld eines ungebremsten Aufschwungs zu agieren glaubt. Die ECB zumindest scheint sich von einer Zinserhöhung am kommenden Donnerstag verabschiedet zu haben. Anders ist die Äußerung von Jean Claude Trichet kaum zu verstehen. Zumal die Inflationsrate weiter im Zielbereich der ECB liegt. Aber auch die Fiskalpolitik sollte ihr Augenmerk nicht zu sehr auf ein öffentliches Defizit von Null oder gar einen Überschuss legen. Langfristig lassen sich Defizit und Schuldenquote nur durch Wachstum verringern. Peer Steinbrück kann sich an seinen Haushalt für 2006 erinnern, für den er so viel Prügel bezogen hat. Am Ende lag die Defizitquote bei 1,7 Prozent.