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Fed senkt Zinsen, Bankaktien purzeln

 

Euro- und US-Notenbankzinsen

Am Mittwoch hatte die Fed die Zinsen gesenkt, mehr oder weniger wie erwartet um 25 Basispunkte auf 4,5 Prozent, am Donnerstag brechen die amerikanischen Aktienmärkte um anderthalb Prozent ein. Als die Fed im September erstmals in diesem Zyklus die Funds Rate zurückgenommen hatte, war das noch mit einem Kursfeuerwerk begrüßt worden. Damals hatten die Marktteilnehmer noch fest darauf vertraut, dass es die Notenbank wieder einmal richten würde, und dass die alte – wenn auch nicht zuverlässige – Regel gelten würde, dass es sich meist lohnte, dann massiv in Aktien umzuschichten, wenn die Fed den Hebel auf Expansion umlegte.

Eigentlich hätten auch die guten BIP-Zahlen für das dritte Quartal – real plus 3,9 Prozent annualisiert – , die am Mittwoch veröffentlicht worden waren, für gute Stimmung bei Aktien und entsprechend schlechte Stimmung bei Bonds sorgen müssen. So war es tatsächlich auch, aber nur anfangs. Ein Tag später schon war es vorbei damit. Auch die europäischen Aktienmärkte haben sich auf Talfahrt begeben, und aus dem kräftigen Renditeanstieg bei den Bundesanleihen heute morgen von 7 Basispunkten ist inzwischen ein Renditerückgang von 3 Punkten geworden. So was hat es nur selten gegeben.

Was ist los? Manche mögen auf einen größeren Zinsschritt gehofft haben, aber das war es wohl nicht. Die 25 Basispunkte waren nämlich genau das, was die Mehrheit der Marktteilnehmer erwartet hatte. Der Begleittext des Federal Open Market Committee (FOMC) war das eigentlich Beunruhigende. Da stand nämlich, dass sich die Inflationsrisiken in etwa die Waage halten mit den Wachstumsrisiken. Im September stand noch ganz die Sorge um die Konjunktur im Mittelpunkt, jetzt fürchtet die Fed offenbar, dass der Preisdruck bei Energie und Nahrungsmitteln sich doch allmählich negativ auf die Kerninflationsrate und die Inflationserwartungen auswirken wird.

Zudem habe sich laut Fed die Lage seit der letzten Sitzung so verbessert, dass jetzt erst mal eine Pause an der Zinsfront angesagt sei: Die zwei Senkungen um insgesamt 75 Basispunkte sollten ausreichen, um die Finanzkrise einzudämmen, und es gebe auch bereits Anzeichen dafür, dass sich die Märkte beruhigt hätten. Möglicherweise glaubten die Gouverneure der Fed selbst an die in den letzten Wochen populär gewordene „Kitchen Sink“-Theorie, nach der die Banken und anderen Finanzinstitute alle Risiken offengelegt und ins Spülbecken geschoben hätten. Von da aus ab in den Müll, also alle dubiosen Aktiva kräftig abgeschrieben, und zwar ein für alle Mal, Verluste ausgewiesen, Vorstände gefeuert, und dann auf ein Neues!

Warum also die Zinsen weiter senken? Die Marktteilnehmer waren not amused, nachdem ihnen nach sorgfältiger Lektüre der Pressenotiz klar geworden war, dass es vorläufig keine expansive Geldpolitik geben würde.

Hinzu kam, dass es am Donnerstag noch einmal zu einem Ausverkauf von Bankaktien kam. Finanzwerte waren schon im Verlauf des Jahres die größten Verlierer im Index gewesen. Vor allem die Citigroup, Amerikas größte Bank, stand unter Druck. Auf Bloomberg wurde argumentiert, dass der Wert von nun an vermutlich schlechter abschneiden würden als der Sektor insgesamt, dass die Dividende gekürzt werden müsse, dass möglicherweise Aktiva in Höhe von nicht weniger als 30 Mrd Dollar verkauft werden müssten, um einem Verfall der Bilanzrelationen vorzubeugen. Citigroups Dividendenrendite lag heute bei nicht weniger als 6,93 Prozent. Das Vertrauen ist offenbar weg. Remember: das eigentliche Kapital einer Bank ist das Vertrauen.

Nach wie vor sind die Anleger sehr nervös und vermuten, dass eben doch noch nicht alles Unerfreuliche auf den Tisch gekommen oder im Spülbecken gelandet ist. Könnte es sein, dass die wirklich schlechten Nachrichten erst im neuen Jahr veröffentlicht werden, nachdem die Bonusschecks in den Briefkästen der Banker angekommen sind?

Die Risiken sind weiterhin groß. Die amerikanische Immobilienkrise zeigt keinerlei Anzeichen einer Beruhigung, die Dollarabwertung hat fast schon die Züge eines Crashs angenommen, und die „realen“ Ölpreise sind so hoch wie Anfang der achtziger Jahre. Wie sich daraus eine Beschleunigung der Inflation ergeben könnte, ist mir schleierhaft. Alles deutet eher in Richtung Rezession, in den USA vor allem, aber wegen des Wechselkurses im Grunde auch in Europa. Das bedeutet im Übrigen, dass die Ölpreise trotz der fundamentalen Unterstützung durch die günstige Konjunktur in den Schwellenländern kein nennenswertes weiteres Aufwärtspotential haben. Eher schon ein Crash-Potential. Wer will mit mir wetten?