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Die Gier – und ihre Folgen, kein Ende der Subprime-Krise

 

Wer zum Thema Gier, Wallstreet und US-Geldpolitik mal was sarkastisch Unterhaltsames – aber im Grunde Erschütterndes – lesen möchte, dem empfehle ich den Artikel über „Buddy Capitalism“, den Alan Abelson am 22. Oktober in der Kolumne „Up & Down Wall Street“ von BARRON’S veröffentlicht hat. Er nimmt vor allem die SIVs auf’s Korn, die Structured Investment Vehicles, deren Marktvolumen nach dem letzten Stand der Dinge bei 350 bis 400 Mrd. Dollar liegt, und von denen aber selbst die meisten der „financial cognoscenti“ bis vor kurzem noch nie etwas gehört hatten.

Da brennt gerade die Hütte, aber keine Sorge, schreibt Alan Abelson, Henry Paulson, der US Finanzminister, wird das Problem schon lösen. Er weiß, was die Leute von der Wall Street brauchen, er war ja die meiste Zeit seines Berufslebens bei Goldman Sachs, dem führenden Brokerhaus. Er „versteht, welche zentrale Rolle Banker und Makler für das Wohlergehen dieser reichen Nation spielen.“

Der Sozialstaat erweist sich gerade jetzt als eine großartige Erfindung, schreibt er. „Im Augenblick gehe es allerdings nicht um Almosen für die Armen und Arbeitslosen und Elenden, nein diesmal muss er denen helfen, die zu den Besten und Klügsten unter uns gehören, die den Mut haben, Risiken einzugehen, die nun allerdings, wenn auch natürlich nur vorübergehend, bei ihrer selbstlosen Jagd nach Profit unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sind und den Beistand des Staates brauchen – damit sie weiterhin ihre außerordentlichen Talente zur Anhäufung von Reichtum einsetzen können. Ohne das gäbe es kein freies und prosperierendes Unternehmertum. Außerdem: Man sollte auch mal daran denken, wie es Tiffany erginge, wenn diese Leute kein Geld mehr hätten.“ Habe ich mal frei, wenn auch holprig, übersetzt.

Die SIVs der Banken waren in den letzten Jahren zu einer Gelddruckmaschine für die Wallstreet geworden. Mit kurzfristigen Krediten (in Form von Asset Backed Commercial Paper) wurden höherverzinsliche und länger laufende Aktiva ( in Form von Asset Backed Securities) erworben, was sich vor allem in den Jahren sinkender und niedriger Geldmarktsätze lohnte. Die Erträge kamen aber nicht nur aus dieser Fristentransformation, sondern mindestens im selben Maße aus den Gebühren, die die Banken durch den Handel mit diesen Finanzinstrumenten einnahmen. Die Asset Backed Securities, in die die SIVs investierten, sind nämlich zu Wertpapieren gebündelte Forderungen, beispielsweise Forderungen wie die inzwischen berühmten Subprime-Hypotheken, Kredite an Unternehmen oder Kreditkartenforderungen. Diese Umwandlungen waren außerordentlich gebührenträchtig und zudem – wie es lange schien – risikolos. Es wurde so ein Markt für intransparente Produkte geschaffen, der die Grundlagen für die Riesenboni bildete, die an der Wall Street gezahlt wurden.

Ein anderer lesenswerter Artikel war am 25. Oktober im Wall Street Journal erschienen („ Pioneer helped Merrill Move into CDOs„). Da wird anhand der Karriere von Christopher Ricciardi beschrieben, wie ein smarter junger Mann in Windeseile mit sogenannten strukturierten Produkten furchtbar reich wurde und wie er dabei eine Riesenfirma wie Merrill Lynch an die Wand fuhr, was wiederum einer der Gründe für die amerikanische Kreditklemme ist. Diese strahlt zunehmend auch auf die übrige Welt aus.

Da die billige Refinanzierung am Geldmarkt (mit Hilfe von Asset Backed Commercial Paper) wegen des rapiden Bonitätsverfalls der verbrieften Forderungen seit Anfang August nicht mehr funktioniert, kam es in den letzten Wochen zu Notverkäufen, die den SIVs und ihren Eigentümern die Bilanzen verhagelten. Nicht nur das, die Banken selbst sitzen offenbar ebenfalls auf gewaltigen Beständen an Asset Backed Securities, die, wie sich jetzt herausstellt, viel weniger wert sind, als in den Büchern bislang angegeben.

Das Rettungsvehikel, der sogenannte Superfund von etwa 80 Mrd. Dollar, mit dem mit freundlicher Unterstützung der US Treasury wieder Leben in den Markt für die sogenannten strukturierten Produkte gehaucht werden sollte, kommt offenbar nur schwer in die Gänge, anders als das Alan Abelson vor zwei Wochen noch erwartet hatte. Vielmehr berichtet die Financial Times am heutigen Mittwoch auf Seite 1 (siehe auch hier), dass die (institutionellen) Anleger zunehmend zu Notverkäufen von hypotheken-gedeckten Papieren gezwungen sind, nachdem die Ratingagenturen erklärt haben, dass eine Reihe komplexer (auf gut deutsch undurchsichtiger und einst sehr profitabler) strukturierter Produkte nicht vertragsgemäß bedient wird. Sie sind „in default“ und wurden entsprechend herabgestuft. Es wird auch immer wahrscheinlicher, dass die Banken ihre SIVs de facto auf ihre Bücher nehmen müssen – und damit deren Wertverluste.

Das ist einer der Gründe für die Schwäche des Dollars. Die Fed – nach Alan Abelson sozusagen das Exekutivorgan des amerikanischen Sozialstaates – kann gar nicht anders als die Zinsen zu senken. Gleichzeitig geht es bei der EZB nach wie vor nur darum, wann, nicht ob, die Zinsen erhöht werden. Frederic Mishkin, Mitglied des Federal Reserve Board, hat allerdings vor ein paar Tagen angemerkt, die Zentralbank könne zwar die Zinsen senken und Liquidität bereitstellen, nicht aber die Bewertungsprobleme der Banken lösen. Das erinnert an die Situation in Japan vor einem Jahrzehnt, als die Zinsen in rascher Folge auf Null zurückgefahren wurden, was aber nicht half, die Kreditklemme zu überwinden. Die Banken waren damals vollauf damit beschäftigt, ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen, also nach den gewaltigen Abschreibungen auf ihre Aktiva wieder genügend Eigenkapital anzusammeln. Das könnte auch den amerikanischen Banken drohen. Die Ratingagentur Moody’s hat gerade geschätzt, dass sich allein die sogenannten Subprime-Verluste auf 225 Mrd. Dollar belaufen dürften – abgeschrieben haben die acht großen Investment bislang 28 Mrd. Dollar.

Die Krise könnte weiter eskalieren. Mal sehen, wie es am amerikanischen Immobilienmarkt weitergeht. Eigentlich müsste der immer größer werdende Überhang an unverkauften Häusern zu einem noch stärkeren Einbruch der Preise (bisher -4,4 Prozent gg. Vj.) und damit zu einem stark verlangsamten Anstieg des privaten Konsums führen. Erstaunlich, dass sich der US Aktienmarkt so gut hält. Der Außenhandel kann die Sache doch kaum retten.