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Hier spricht der Bär

 

Es ist wieder so weit: HERDENTRIEB feiert seinen zweiten Geburtstag – und Hirte Heusinger gibt seine Wachstumsprognose ab. Mit der grandiosen Wette für 2006 sind wir 2005 gestartet und bekannt geworden.

Das nächste Jahr wird schlecht. Das Wachstum wird nur bei 1,5 Prozent oder drunter liegen. Damit ist HERDENTRIEB mal wieder aus der Herde ausgerissen, die für Deutschland um die zwei Prozent erwartet (Sachverständige 1,9 und Gemeinschaftsprognose 2,1 Prozent).

Die Wette macht keinen Spaß. Es wäre die erste Wette im Blog, die ich gerne verlöre. Wie ich es auch drehe und wende, es sieht düster aus. Und das aus drei Gründen: Erstens verschlechtern sich die Finanzierungsbedingungen für die Banken und Unternehmen. Zweitens bleibt der Konsum mau. Das ist die eigentliche Enttäuschung. Und drittens sind Deutschlands tonangebende Ökonomen, der Bundesfinanzminister und der Bundesbankpräsident keineswegs alarmiert, reden sich die Welt schön und fechten Sträuße aus, die lächerlich sind. Wenn das nächste Jahr dann tatsächlich rezessiv werden sollte, wissen Letztere ganz bestimmt wieder woran es lag: an den ausgebliebenen Strukturreformen. Lesen Sie weiter und Sie werden die wahren Gründe erfahren:

Da wir nun mal nicht in einer Tauschwirtschaft (Neoklassik) sondern einer Geldwirtschaft leben, gehört es zur ersten Pflicht auf die Finanzierungsbedingungen der Volkswirtschaft zu schauen, auf die Konditionen an den Finanzmärkten, und – für Deutschland noch viel wichtiger – die Kreditkonditionen.

Kreditkonditionen werden verschärft

Verschärft sich da etwas, oder lockert es sich? Und leider verschärfen sich die Konditionen. Ich nehme an, die Daten für das dritte Quartal (die bereits restriktiv ausschauen) sind nichts gegen die Verschärfung, die wir bis Mitte 2008 bekommen werden. Der globale Kapitalismus steckt in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, das Problem der Verpackungs- und Vertrauenskrise ist noch keineswegs gelöst. Hank Paulson, der US-Finanzminister, hat Recht, dass uns erst Mitte nächsten Jahres die Bugwelle erreichen wird.

Erschreckt hat mich die Commerzbank. Als die Gelben vergangene Woche eine neue Anleihe am Bondmarkt platzieren wollten, mussten sie 135 Basispunkte über Swaps zahlen. Normal sind rund 80 Stellen. Das zeigt, wie schlimm es steht. Das ist eine Verteuerung um fast 70 Prozent!!!! Die Commerzbank muss das Geld ja zu noch höheren Konditionen weiter verleihen, will sie nicht von vorne herein Verluste schreiben. Also die Finanzierungsseite dämpft nächstes Jahr, daran besteht kein Zweifel.

Noch steigt die Kreditnachfrage

Die höhere Kreditnachfrage ist zwar erfreulich, aber sie dürfte nachlaufend sein zu der kurzen Sause, die wir erlebt haben. Die Stimmung scheint in den Unternehmen noch gut zu sein. Das dürfte sich rasch ändern. Denn auch der Euro und der Ölpreis sind Boten schwächeren Wachstums. Die jüngsten Zahlen für die Auftragseingänge im September haben es bereits gezeigt. Und in der Regel wirkt ein so drastischer Anstieg der Heimatwährung erst mit einiger Verzögerung. Und wo sollen die Erfolge Amerikas beim Abbau des Handelsbilanzdefizits herkommen, wenn nicht aus schwächeren Exporterfolgen Deutschlands und Chinas? Das hängt doch alles zusammen!

Es gäbe eine ökonomische Macht, die sich gegen Euro, Öl und Kredit stemmen könnte, ja müsste: der Verbraucher. Bei den positiven Nachrichten vom Arbeitsmarkt, bei erstmals 40 Millionen Beschäftigten, wie die Freunde der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft nicht müde werden zu verbreiten, da müsste doch was gehen. Die Löhne müssten steigen, die Jobsicherheit sowieso und die Menschen müssten optimistisch nach vorne schauen, den Geldbeutel locker sitzen haben und so zur großen Stütze für 2008 avancieren. Wirklich? Ich gestehe, auch ich habe bislang immer so argumentiert (MEHR JOBS = MEHR KONSUM), bin allerdings schon vorsichtiger geworden (DAS HAAR IN DER SUPPE). Und inzwischen bin ich zum Bären mutiert, sprich auf der Linie von Herrn Jahnke gelandet, der im Blog schon öfters auf die zu rosarote Brille hingewiesen hat, mit der wir auf den Verbrauch gesetzt haben.

An Weihnachten wird gespart

Es ist nicht nur diese Grafik, die mich erschauern lässt. Irgendwie haben die Reformer so tief geschnitten, dass nichts mehr in der Massenkaufkraft ankommt. Die Rentner verarmen, die Hartz IVler sowieso. Sie alle bekommen nicht mal ein Drittel der Inflation ersetzt. 2,5 Millionen Kinder leben in Armut. Die Lohndrücker sind so lange zu Gange, solange es zumindest keine verbindlichen Mindestlöhne gibt. Und die Gewinne sprudeln still und leise.

In Deutschland rächt sich die unnötig brutale Mehrwertsteuererhöhung, die die bescheidenen Lohnzuwächse auffrisst. Im Gegenzug bekommen die Unternehmen wieder Milliarden Euro geschenkt. Verstehe diese Politik, wer will. Das Wachstum fördert sie nicht, im Gegenteil!

Und da sind wir schon Mitten in der deutschen Debatte. Was treibt die tonangebenden Ökonomen um? Weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie Schuldengrenzen für öffentliche Haushalte. Das sind wahrlich Probleme, die jetzt angepackt werden müssen. Die Kreditkrise wird als für die Realwirtschaft ungefährlich abgetan. Einmal lachen.

Finanzminister Peer Steinbrück redet mindestens einmal die Woche den Euro hoch. Er liebe einen festen Euro, er sehe keine Probleme damit. Was treibt den wichtigsten Minister um? Hat er keine Berater, keine Volkswirte um sich herum? Oder ist es die Fehde um die Unabhängigkeit der EZB? Sarko hat doch schon längst die Segel gestrichen. Hat das Steinbrück niemand verraten?

Und Axel Weber, Oberfalke im EZB-Rat, hat auch so seine Fehde. Er will höhere Notenbankzinsen, weil die Konjunktur gut laufe und eher Inflationsgefahren bestünden. Er schlägt Alarm und die BILD steigt ein. EZB-Präsident Trichet und Bini-Smaghi versuchen das Thema Inflation wieder abzumoderieren. Ob’s gelingt?

Wer solche Ökonomen an der Spitze des Staates hat, der braucht sich ums Wachstum nun wirklich keine Sorgen machen.

Topp, die Wette gilt: 1,5 Prozent und weniger für 2008.

PS.: Für die Statistiker: Im vergangenen Jahr hätte ich für dieses Jahr ohne Mehrwertsteuererhöhung 2,5 Prozent plus erwartet, hatte aber angesichts der Mehrwertsteuererhöhung zwei Prozent plus/minus 0,5 Prozentpunkte gesagt.