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Schlaf der Selbstgerechten

 

Martin Wolf hat am Dienstag das Untergangsszenario von Nouriel Roubini in seiner Kolumne in voller Länge zitiert und es sich damit kommentarlos zu eigen gemacht. Das sind wahrlich keine hübschen Aussichten. Aber ehrlich gesagt, ich finde es plausibel. Wer es noch nicht gelesen hat, sollte es nachholen.

Wolf schickt seiner Kolumne ein Zitat Alan Greenspans aus dessen Buch „The Age of Turbulance“ voran. Darin stellt der Autor (selbstkritisch?) fest, dass er in Vorträgen regelmäßig verneint habe, dass es sich um eine Blase am US-Immobilienmarkt handele sondern nur um ein wenig Schaum, kleine lokale Bläschen, die nie zu einer Gefahr für die Gesamtwirtschaft werden würden.

Das verblüffte mich gestern und verblüfft mich noch heute. Dass der Welt klügsten Zentralbanker vor der immer stärker werdenden Überhitzung auf den Finanzmärkten die Augen fest verschlossen hatten. Sie wollten das herankommende Desaster nicht sehen. An den panischen Zinssenkungsaktionen der Fed ist zu erkennen, dass Ben Bernanke und die Seinen die Augen mittlerweile geöffnet haben. Aber die europäischen Zentralbanker schlafen weiter den Schlaf der Gerechten, besser der Selbstgerechten. Bundesbankpräsident Axel Weber hält ( in der FAZ vom 11. Februar) eine „negative Rückkopplung von der Finanzkrise auf die Realwirtschaft und zurück“ in Deutschland und in der Euro-Zone für nicht wahrscheinlich. Er begrüßt es, dass die Banken bei der Kreditvergabe restriktiver sein wollen. Das sei eben Normalisierung.

Webers EZB-Kollegen reden alle so. Sie verneinen, dass es da überhaupt ein Problem gibt. Die Finanzkrise wird ungeachtet der zahlreichen Beteiligung europäischer Banken daran zu einem US-Problem heruntergeredet. Die mittlerweile auch am Aktienmarkt als nicht unwahrscheinlich geltende Rezession in den USA werde das Wachstum hierzulande nicht nennenswert schädigen. Vielleicht glauben Weber, Trichet etc. die Wirtschaftssubjekte durch sorgenvolle Äußerungen nicht beunruhigen zu dürfen, um die Lage nicht zu verschlimmern. Nicht einmal so viel politische Raffinesse ist ihnen zuzutrauen. Denn wenn es um die Inflation geht, scheuen sie sich nicht, mit Feurio-Rufen die Panik erst richtig in Gang zu bringen.

Am meisten stört es mich, dass die Zentralbanker sich für die Finanzkrise als nicht zuständig erklären. Sie reden von Normalisierung, begrüßen es, dass die Risiken nun in der Krise wieder angemessener „bepreist“ werden und tun geradezu so, als seien überhitzte Finanzmärkte allein das Werk übereifriger und etwas ungeschickter Banker. Dass sie und ihre Aktionäre jetzt in der Klemme seien, werde ihnen eine Lehre sein. Kurz: die Zentralbanker vom Schlage eines Weber leugnen nicht nur die makroökonomischen Folgen der Finanzkrise, sie verschließen auch die Augen vor den makroökonomischen Ursachen. Die dummen Banker vom Merrill Lynch, Citicorp, UBS, IKB und Northern Rock taumeln eben, die schlauen von Goldman Sachs und Santander bleiben erfolgreich. So ist das im Kapitalismus. Der Wettbewerb selektiert.

Auf Dauer werden die Notenbanken sich einer Diskussion über die Ursachen nicht entziehen können. Auch nach dem Zusammenbruch der Aktienmarktblase wurde die Diskussion über die makroökonomischen Bedingungen, die zur Entstehung dieser Blase führten, schließlich in Ansätzen geführt. Die asymmetrische Notenbankpolitik, die explodierende Asset-Preise toleriert, aber bei kleinsten Inflationszeichen restriktiv wird, konnte als eine wesentliche Ursache für das Entstehen der Spekulationsblase identifiziert werden. Alan Greenspan machte der Diskussion im Sommer 2002 bei der Tagung in Jackson Hole ein Ende. Hätten wir die Zinsen drastisch heraufsetzen sollen, um den irrationalen Überschwang zu stoppen? So fragte er rhetorisch. Alle, bis auf die Hardliner von der österreichischen Schule, antworteten damals: Um Gottes Willen nein.

Diese Antwort war richtig. Aber die Frage hätte anders gestellt werden müssen. Es gibt schließlich noch andere Möglichkeiten, um im Kapitalismus Spekulationsexzesse zu verhindern.