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Von Financial Engineers und Betrügern

 

Eben hat mich Uwe Richter auf einen Artikel von Elliot Blair Smith aufmerksam gemacht, der vor ein paar Stunden auf Bloomberg erschienen ist („Race to Bottom at Moody’s, S&P Secured Subprime’s Boom, Bust„). Da wird detailliert ein zentrales Element der Produktion von Asset Backed Securities beschrieben, nämlich wie geldgierige und nur auf den eigenen Vorteil bedachte Ratingagenturen den Investmentbanken dabei halfen, minderwertige Immobilienkredite auf wundersame Weise in Triple-A-Wertpapiere zu verwandeln. Diese hatten den unschätzbaren Vorteil, dass sie deutlich mehr Rendite abwarfen als beispielsweise – ebenfalls mit Triple-A-Ratings versehene – Schuldverschreibungen des Staates.

Dadurch entwickelten sie sich zu echten Rennern: kein Risiko und doch so eine schöne Rendite! Wir wissen, wo die Papiere gelandet sind: bei der IKB, den Landesbanken (die sich so tolle Aktiva wie gewohnt nicht entgehen lassen konnten), bei den Versicherungen, und, so ist zu vermuten, auch bei Zentralbanken, Staatsfonds und japanischen Banken. Die USA sind ja schließlich der bei weitem größte Netto-Kapitalimporteur der Welt, und die Asset Backed Securities waren ein wichtiges Vehikel, mit denen sich die Ersparnisse des Auslands anzapfen ließen.

Eine gehörige Portion der Papiere war aber doch bei den Emissionshäusern geblieben. Ihr hervorragendes Rating bedeutete, dass sie sowohl von den Finanzabteilungen im eigenen Haus als auch von den Aufsichtsbehörden praktisch als risikolos angesehen wurden und daher – anders als etwa Kredite an Unternehmen – nur eine geringe, oder sogar keine Deckung durch Eigenkapital benötigten. Das lud die Banken geradezu dazu ein, sich die Bücher damit voll zu stopfen, wobei die Mittel dafür vor allem am Geldmarkt, also kurzfristig und zu niedrigeren Zinsen aufgenommen wurden.

Das war einer der Gründe, weshalb die großen, global operierenden Banken de facto mit einem unglaublich großen Hebel arbeiteten und auf diese Weise phänomenale Einkommen für Manager, Partner und Aktionäre generieren konnten. Vor ein paar Quartalen stammten rund 40 Prozent der amerikanischen Unternehmensgewinne aus dem Finanzsektor! Welch eine Fehlallokation, was für ein Wohlstandsverlust für den Rest der Bevölkerung! Am Mittwoch haben Daniel Gros und Stefano Micossi in der Financial Times darauf hingewiesen, dass das Verhältnis von Gesamtpassiva zu Eigenkapital bei Barclays zuletzt bei 60 lag, bei der allgemein als grundsolide eingeschätzten Deutschen Bank bei mehr als 50.

Diese extremen Relationen rächten sich – und führten zu den bekannten großen Abschreibungen und Verlusten -, als die Werte der Asset Backed Securities dann trotz ihres hervorragenden Ratings auf einmal in den Keller gingen. Es zeigte sich, dass sich eben doch nicht aus Wasser Wein machen lässt, dass minderwertige Immobilienkredite auch durch die Kunststücke der Financial Engineers letztlich immer minderwertig bleiben, also mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit wertlos werden können.

Ohne die Ratingagenturen wären die Kunststücke nicht möglich gewesen. Smith beschreibt, wie Moody’s und Standard&Poor’s zum einen von den Emittenten der Wertpapiere bezahlt wurden und sich dabei im Wettbewerb untereinander zu immer laxeren Standards treiben ließen, und zum anderen zunehmend exotische statistische Verfahren zum Einsatz brachten, deren Relevanz immer weniger klar war. Das merkten lange Zeit nur wenige. Der gute Ruf der beiden Agenturen, verbunden mit einem angeblich wissenschaftlichen, also objektiven Ansatz, ließ die Anleger lange Zeit im Dunklen über die tatsächlichen Risiken der Papiere. Der Hauptgedanke war, dass sich durch Bündeln und Schichtung guter sowie schlechter Hypotheken die Risiken so vermindern lassen, dass man es schließlich mit super-sicheren Papieren zu tun hat. Ein Teil der Differenz zwischen den relativ hohen Hypothekenzinsen, die die amerikanischen Hauskäufer zu zahlen hatten, blieb bei den Banken und Ratingagenturen hängen – machte sie reich – während der andere Teil an die Käufer der Asset Backed Securities weitergegeben wurde und sie damit zu begehrten Anlageinstrumenten machte.

Im Grunde handelte es sich um eine systematische Verschleierung der Risiken durch die Banken und Ratingagenturen, die ans kriminelle grenzte. Es ist wahrscheinlich, dass diese Strategien nicht ohne strafrechtliche Konsequenzen bleiben werden. Warum haben das die Bankenaufseher, oder die Versicherungsaufseher nicht gemerkt? Sie hatten offenbar naiv den Verkäufern geglaubt, dass man durch ausgeklügelte („sophisticated“) statistische Verfahren tatsächlich in der Lage ist, die Risiken zum Verschwinden zu bringen. Ein teurer Irrtum. Er könnte uns eine lange deflationäre Phase beschweren.

Damit sich das nicht wiederholt, sollten nur Ratings von solchen Agenturen akzeptiert werden, die nicht in Interessenkonflikte geraten können, am besten nur von solchen, die dem Allgemeinwohl verpflichtet sind. Man könnte sie etwa bei den Zentralbanken oder den Finanzaufsichtsbehörden ansiedeln, und keine Bank und Versicherung dürfte Papiere in ihre Bücher nehmen, die nicht von ihnen bewertet wurden.