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Die Bankenkrise ist noch längst nicht vorbei

 

HRE, IKB, die Commerzbank und diverse Landesbanken haben durch spektakuläre Verluste und noch spektakulärere Rettungsaktionen von sich reden gemacht. Die strauchelnden Konzerne der sogenannten Realwirtschaft wie Opel, Porsche und Arcandor haben die mediale Aufmerksamkeit in letzter Zeit allerdings noch mehr gebunden. Doch die Schwierigkeiten der Banken sind noch längst nicht vorbei. Und die Politik wird wieder arg gefordert sein.

Ob die Bundesregierung allerdings darauf vorbereitet ist, ist nicht so sicher. Das regierungsamtliche Durchwursteln der letzten Monate hat kritischen Beobachtern nicht gerade Mut gemacht: Erst wird eine kleine, wirklich nicht systemisch wichtige Bank mit Steuermilliarden hochgepäppelt (IKB) und dann billig verscherbelt, als nächstes beteiligt sich der Bund mit einem Vielfachen des Eigenkapitals an der Commerzbank, und verzichtet zunächst sogar darauf eigene Vertreter in den Aufsichtsrat zu schicken. Zwischendurch verkämpft sich die Bundesregierung bei der HRE, ohne dass wir Steuerzahler eigentlich wissen, welche Gläubiger der HRE wir da gerade retten; mal ganz davon abgesehen, dass Josef Ackermann mit seinem absurden – und wieder laut hinausposaunten – Anspruch auf 25 Prozent Eigenkapitalrendite zum Berater der Bundeskanzlerin in Sachen Bankenrettung werden durfte. Ein Trauerspiel.

Gewiss, so eine Bankenkrise kommt nicht alle Tage vor. Im Gegensatz zu Großbritannien und Italien gibt es in Deutschland keine besonders auf Banken zugeschnittenen Insolvenzregeln, die deren systemische Bedeutung für die Kapitalversorgung der Wirtschaft berücksichtigen. Deswegen geht es nicht ohne Improvisation, und deswegen muss man gerade die Experten fragen, die uns die Suppe eingebrockt haben. Doch bei der nächsten Fuhre von Bankenproblemen sollten wir besser gewappnet sein und einige Grundregeln beachten.

Und die nächste Fuhre kommt bestimmt. Die EZB hat in ihrem Bericht zur Finanzmarktstabilität vor einer Woche prognostiziert, dass Banken im Euroraum in diesem und im kommendem Jahr noch bis zu 200 Milliarden Euro abschreiben müssen – so viel, wie sie bis jetzt schon abgeschrieben haben. Der IWF ist noch skeptischer. Er erwartet bis Ende 2010 weitere 585 Milliarden Dollar (415 Milliarden Euro) an Abschreibungen. Die Banken sind noch lange nicht aus dem Schneider.

Ob wir es wollen oder nicht, das Risiko, die Probleme im Bankensektor nicht richtig anzugehen, ist immens. Der schlimmste anzunehmende Fall ist Japan. Wenn man das Vorgehen der Bundesregierung heute mit dem Vorgehen der japanischen Regierung Ende der 90er Jahre vergleicht, ergeben sich unschöne Parallelen.

Die japanische Regierung hatte nach dem Platzen der Immobilienpreisblase und den Problemen der Banken zwar schnell mit großen Kapitalspritzen und gelockerten Bilanzierungsregeln reagiert. Auch legte sie Bad Banks auf, die den Bankinstituten die schlechten Papiere abkauften und verstaatlichte sogar einige Banken.

Aber trotz all dieser Aktionen verliehen die Banken kein Geld. Sie nutzten die weicheren Bilanzierungsregeln, um unterkapitalisiert vor sich hin zu dümpeln und ihr Kapital aus den Einnahmen noch funktionierender Kredite aufzubessern. Unternehmen bekamen so gut wie keine Kredite und die Wirtschaft stagnierte. Durch Deflation wurden die Schulden sowohl der Banken als auch der Unternehmen real immer größer.

Das Grundproblem war, dass alle staatlichen Hilfsmaßnahmen improvisiert und ziellos waren. Die Regierung hatte nicht darauf bestanden, vor jeder Rettungsaktion die Bücher der Banken kritisch zu prüfen. Nur so hätte sie feststellen können, wie hoch der Kapitalbedarf der Banken tatsächlich war und wie viel jede Bank benötigte, damit sie wieder ihre Funktion als Kreditgeber erfüllen konnte.

Der Knoten platzte erst 2002, als der neue Finanzminister Heizo Takenaka mit harter Hand sowohl die Bücher der Banken überprüfen ließ, den Kapitalbedarf der Banken öffentlich machte und in die Geschäftsführung der Banken eingriff. Erst da begann die Erholung – sowohl der Banken als auch der Volkswirtschaft. Übrigens waren es auch genau diese Maßnahmen, die Schweden gleich zu Beginn der dortigen Bankenkrise Anfang der 90er Jahre einsetzte: Auf der Grundlage verschiedener konjunktureller Stresstests wurde der Kapitalbedarf der Banken ermittelt, worauf hin für zwei Banken staatliche Bad Banks eingerichtet wurden – aber erst nach deren Verstaatlichung.

Diese Lehren hat die Bundesregierung nicht gezogen. Eine eingehende Überprüfung der wichtigsten Banken – wie sie auch die US-Regierung im Mai durchgeführt hatte – gab es nicht. So bleibt der Kapitalbedarf der Banken unklar. Die neu eingerichtete Bad Bank, in die Banken ihre wertlosen Papiere auslagern können, beruht auf Freiwilligkeit. Die ist deswegen gefährlich, weil Banken sich hüten werden, freiwillig einzugestehen, dass sie unterkapitalisiert sind. Aus Angst vor fallenden Aktienkursen oder Schlimmerem halten sie ihren Abschreibungsbedarf geheim und horten ihr Geld lieber als es zu verleihen. Das erschwert es Unternehmen, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. So hat die Commerzbank zum Beispiel trotz Viertel-Verstaatlichung (infolge ihrer Unterkapitalisierung) die Auslagerung der schlechten Papiere in die neue Bad Bank verweigert. Dahinsiechende Wirtschaft, ahoi!

Was ist zu tun? Genau das, was die Bundesregierung bisher vermieden hat. Zunächst müssten die wichtigsten Banken den Aufsehern einen detaillierten Einblick in ihre Bücher gewähren. Sodann müsste der Bedarf an Eigenkapital unter wahrscheinlichen Szenarien der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung eingeschätzt werden – um dann eventuell staatliches Kapital zuzuschießen oder die Banken vorübergehend zu verstaatlichen. Erst nachdem alle Zahlen und Risiken auf dem Tisch sind, macht eine Bad Bank Sinn. Aber keine freiwillige. Banken, die wegen ihrer Größe und Wichtigkeit für die Wirtschaft noch gebraucht werden, müssen dazu gezwungen werden, schlechte Papiere in eine Bad Bank abzugeben. Denn freiwillig werden sie nicht eingestehen, dass sie Probleme haben.

Warum sind viele dieser Lehren aus vergangenen Krisen bis jetzt nicht gezogen worden, oder: Warum geht die Bundesregierung das Risiko ein, so zu enden wie Japan? Weniger aus wirtschaftlichen, als vielmehr aus politischen Gründen, scheint mir. Verstaatlichung klingt nicht gut in Deutschland und Banken zu retten bringt keine Wählerstimmen. Weder Banken noch Politiker haben ein großes Interesse daran, das zu tun, was eigentlich alle Experten für die beste Lösung halten.

Täuschen wir uns nicht – die Bankenkrise ist noch längst nicht ausgestanden. Nach den Wahlen muss sich die neue Bundesregierung langfristige Lösungen ausdenken, damit sich die Krise nicht verfestigt.