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Als Paul Volcker den Walter Eucken machte

 

Gestern Abend war ich im Schloss Bellevue. Der Bundespräsident hatte zu einem Empfang mit Paul Volcker, Jean-Claude Trichet und Josef Ackermann (der aber verhindert war und Jürgen Fitschen schickte) geladen. Organisiert wurde die Veranstaltung von der American Academy, auch Richard von Weizsäcker meldete sich zu Wort. (Hier der Bericht meines Kollegen Thomas Hanke vom Handelsblatt.)

Volcker hatte noch einmal Gelegenheit, ausführlich für seinen Vorschlag zu werben, den Eigenhandel vom normalen Bankgeschäft abzuspalten.

Ich bin immer wieder erstaunt, auf wie viel Zustimmung ein derart radikaler Plan gerade in konservativ-liberalen Kreisen findet (während linke Ökonomen wie zum Beispiel Paul Krugman skeptisch sind). Ich glaube es liegt daran, dass es sich bei der Volcker-rule um einen im Grunde marktwirtschaftlichen Ansatz handelt, während der europäische Ansatz vom Glauben an die Steuerungsfähigkeit des Staates geprägt ist. Mit anderen Worten: Volcker ist Ordnungspolitiker, Trichet Prozesspolitiker.

Here’s why:

Volckers Ausgangspunkt ist, dass die Banken praktisch mit Staatsgarantie zocken. Sie können sich darauf verlassen, im Krisenfall gestützt zu werden und haben Zugriff auf die Einlagensicherung und die Kreditfazilitäten der Zentralbank. So weit so gut.

Der europäische Ansatz – wie er auch vom Financial Stability Board vertreten wird – besteht nun darin, dass die Regulatoren die Geschäftspraxis streng überwachen. Riskante Geschäfte werden mit mehr Eigenkapital unterlegt, bestimmte Transaktionen ganz verboten, eine zu hohe Verschuldung unterbunden. Banken und Aufseher stehen in einem engen Austausch. An die Stelle der – durch die Staatsgarantie ausgeschalteten – Disziplinierung durch den Markt tritt die Disziplinierung von Bafin, FSA & Co. Klassische Prozesspolitik eben.

Volcker argumentiert nun, dass das nicht funktionieren kann. Weil die Aufseher den Banken immer einen Schritt hinterher sind oder weil sie sich von ihnen vereinnahmen lassen. Er möchte, dass zumindest im Spekulationsgeschäft der Markt wieder die Kontrolle übernimmt. Er will dass dort Pleiten gefahrlos möglich sind. Dieses Ziel glaubt er dadurch erreichen zu können, dass er eine Trennwand zwischen – staatlich geschütztem und beaufsichtigtem – Kreditgeschäft und der Kapitalmarktzockerei errichtet. Gestern in Berlin hat er wiederholt darauf hingewiesen, dass doch zahlreiche Hedge-Fonds ohne größere Schäden für das System zusammengekracht seien. Jeder solle die Freiheit haben „zu experimentieren, Geld zu verdienen“, wenn er als Konsequenz die mögliche Pleite akzeptiere. Kurz: Volcker will das System so strukturieren, dass der Markt seine Funktion als Kontrollinstanz und Koordinationsmechanismus wahrnehmen kann. Walter Eucken hätte es nicht besser formulieren können.

Volcker glaubt, dass sich moral hazard abschaffen lässt, während die Europäer glauben, dass der Staat nur Schadensbegrenzung betreiben kann.

Ich selbst habe Sympathie für die europäische Sicht der Dinge: Der Finanzmarkt wird nie ein echter Markt sein. Man wird Banken immer wieder retten, so wie man es auch früher getan hat. Das Problem des too big to fail lässt sich nicht lösen – es sei denn wir wollen zurück in die Steinzeit.

Deshalb: Strenge Kontrollen und wenn im Finanzsektor trotzdem unverhältnismäßig hohe Renditen erwirtschaftet werden: Spread the wealth around – wegsteuern und umverteilen!