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Ein Hoch auf diese Regierung

 

Lassen Sie uns den Hut ziehen vor dieser Regierung! Wann hatte die Bevölkerung in Deutschland je eine in wirtschaftlichen Belangen ausgebufftere Regierung? Wann wurde das letzte Mal eine solch großartige Wachstumspolitik betrieben, die sich gleich dreier Schienen bedient? Dem Wechselkurs, den die Regierung elegant herunter redet, den Zinsen, die sie mit ihrem Insolvenzplänen für Euroland auf immer neue Tiefen fallen lässt, sowie einer gezielten Lohnstückkostensenkungspolitik, die die erarbeiteten Wettbewerbsvorteile zementiert? Was Kanzlerin Merkel samt ihren Beratern, den Herren Schäuble, Brüderle und Weber (Bundesbank) da zaubern, steht makromäßig den goldenen Zeiten eines Bill Clinton und Alan Greenspan in nichts nach. Ja, es ist schlauer.

Deshalb bin ich auch für das nächste Jahr recht optimistisch, was das Wachstum in diesem unseren Lande betrifft. Bei einer solch grandiosen Steuerung sind gut und gerne mehr als 2,5 Prozent Wachstum drin. Die langjährigen Freunde des HERDENTRIEB merken es spätestens hier: Die Wachstumswette ist mal wieder fällig, wie jedes Jahr zum Geburtstag dieses Blogs. Mit ihr begann alles im November 2005. Waren meine ersten vier Wetten gut bis spektakulär (die erste), so war die letzte vom November 2009 geradezu beschämend schlecht. Ich habe zweierlei vollkommen falsch eingeschätzt. Das eine tut weh: die Wirkung der Konjunkturprogramme. Das andere hätte ich mir selbst im Traum nicht ausmalen können: diese verdammt schlaue Regierung.

Deutschland ist eine Exportnation, klar. Und für eine Exportnation ist der Wechselkurs nicht unwesentlich. Wissen Sie noch, wo der Dollar/Euro-Kurs vor einem Jahr lag? Bei rund 1,50 Dollar je Euro! Und können sie sich vorstellen, wohin der Kurs marschiert wäre, wenn die Amerikaner ihrer laxen Geldpolitik – wie geschehen – gefrönt hätten, die Europäer aber mit dem Exit aus ihrer lockeren Geldpolitik begonnen hätten (das hatten die Herren Trichet und Weber tatsächlich vor, im Januar, Februar)? Dann stünde der Wechselkurs heute eher oberhalb der 1,80 Dollar als bei 1,70. Und wo liegt er tatsächlich? Bei 1,33! Das macht gut ein Prozent zusätzliches Wachstum aus, mindestens.

Wie hat es Angela Merkel geschafft, der deutschen Wirtschaft einen so vorzüglich niedrigen Wechselkurs zu zaubern? Sie hat einfach der ganzen Welt gezeigt, wie unglaublich wackelig die Konstruktion der Währungsunion ist. Sie hat im März und April die Investoren und Spekulanten aus dem Dämmerschlaf gerissen, als sie immer wieder betonte, Griechenland könne auch pleitegehen, Griechenland bekäme alles, nur keine Hilfen aus Deutschland.

Oberflächliche Gemüter (auch ich) haben das zunächst mit der Wahl in NRW in Verbindung gebracht. Aber heute wissen wir, dass es kalkulierte Makropolitik war. Schauen Sie nur auf den Dollar/Euro-Kurs. Er rasselte im Frühjahr bis auf 1,20 in die Tiefe, weil alle Welt glaubte, das letzte Stündlein des Euro habe geschlagen. Doch dann floss doch Geld für Griechenland, der Rettungsschirm wurde aus der Taufe gehoben, die Zentralbank durfte Anleihen kaufen. Alles Dinge, die sich ein strammer deutscher Ordnungspolitiker beim Abschluss meiner Wachstumswette im November 2009 nicht hätte vorstellen können. Aber gut, so pragmatisch ist sie halt unsere Angela Merkel.

Als dann der Fed-Chef Ben Bernake im Oktober sein irres Programm zur quantitativen Lockerung Nummer zwei auflegte und der Euro wieder über 1,40 Dollar sprang, da legte die Kanzlerin nach. Sie wolle einen dauerhaften Krisenmechanismus installieren, die privaten Gläubiger müssten zur Kasse gebeten werden, am besten alles bis 2013. Das hat sie das erste Mal für alle Anleger hörbar in Deauville verkündet (mit Sarkozy). Seither tobt die Euro-Krise wieder, aber der Euro hat zehn Cent abgegeben. Zehn Cent, die die heimischen Autobauer, Maschinenbauer, und all die anderen Exporteure gut gebrauchen können. Mag sich der Fed-Chef schwarz ärgern, gegenüber dem Euro wird der Dollar nicht schwächer.

Und der grandiose Nebeneffekt dieses Heraufbeschwörens der Euro-Krise sind die rekordniedrigen Zinsen. Schauen Sie sich mal die Entwicklung der langjährigen Zinsen in Euroland an! Dass die deutschen Zinsen wie jetzt nach unten abknicken, während der Durchschnitt der Anderen nach oben zieht, das gab es noch nie. Das verunsicherte Kapital aus Irland, Portugal, Spanien, Griechenland flieht in Bundesanleihen – und hält hierzulande die Zinsen so niedrig, wie sie noch nie waren. Das ist der Stoff, aus dem der Aufschwung ist. Die deutsche Wirtschaft wächst real um knapp vier Prozent, die zehnjährigen realen Zinsen (also abzüglich der Inflation) liegen deutlich unter zwei Prozent. Wow, was ne Party. Und die Notenbankzinsen liegen real leicht im negativen Bereich! Sie lägen ohne die Euro-Krise höher, weil dann die EZB mit dem Exit begonnen hätte.

Und last but not least: Die Regierung weiß, dass Deutschland rund 13 Prozent billiger produzieren kann als der Rest Eurolands (wenn man die Lohnstückkostenkurven zugrunde legt). Statt diesen Vorteil, der die Ungleichgewichte in Euroland befördert hat, abschmelzen zu lassen, tut sie fast alles, damit die Lohnstückkosten für die Unternehmen nicht ansteigen, zumindest nicht die Lohnnebenkosten. In der Gesundheit ist der Ausstieg aus der paritätischen Beteiligung von Unternehmen und Arbeitnehmer schon beschlossen, die Pflegeversicherung soll teilweise auf Kapitaldeckung umgestellt werden und wenn Steuern erhöht werden, dann die auf Tabak oder den Konsum, was man unter dem Schlagwort Mehrwertsteuerreform verkauft. Nun gut, die Unternehmen wird es nicht treffen und das ist doch eine tolle Nachricht für den Arbeitsmarkt. In welchem Land brummt es gerade so wie in Deutschland, wo werden sonst noch Beschäftigungsrekorde gebrochen? Richtig: Nur noch in den Emerging Markets.

Wenn die realen Zinsen unterhalb des realen Wirtschaftswachstums liegen, dann geht es der Konjunktur gut. Liegen sie nur halb so hoch, dann geht es der Konjunktur prächtig. Das ist die Situation in Deutschland. Ob die Löhne tatsächlich steigen, ist unwesentlich. Die realen Zinsen sind es. Und auch beim Blick auf die zwei Charts, die ich immer in meinen Wachstumswetten bringe, spricht nichts gegen ein hervorragendes 2011.

Grafik: Bank Lending Survey - Kreditstandards - 10Q3
Grafik: Bank Lending Survey - Kreditnachfrage der Unternehmen - 10Q3

Topp, die Wette gilt: Die deutsche Wirtschaft wächst 2011 um 2,5 Prozent und mehr – und mögen die Bürger Griechenlands, Irlands, Portugals und Spaniens noch so leiden.