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Die Idee einer Finanzunion nähert sich dem Mainstream

 

Heute hat Manfred Schepers von der EBRD, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Financial Times einen Plan zur Beendigung der Euro-Krise vorgestellt („A three-pillar plan to underpin a new fiscal union“), der sich ziemlich genau mit meinen Vorschlägen vom Dienstag deckt. Er würde den EFSF allerdings durch zwei neue Institutionen ersetzen: zum einen durch einen Europäischen Währungsfonds, der die Rolle meines Budgetkommissars übernehmen würde und in die Haushaltspolitik der Länder eingreifen kann, wenn Vorgaben verletzt werden, zum anderen durch eine Schuldenagentur, die alle 17 staatlichen Emissionsinstitute ersetzen würde. Das heißt wohl auch, dass der größte Teil der heute existierenden Staatsanleihen von dieser „Treasury“ übernommen würde (nämlich der Teil, der mittelfristig unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit tragbar ist), und dass jedes der Mitgliedsländer gesamtschuldnerisch für die alten und neuen Schulden zu haften hätte.

Also auch hier ein quid pro quo. Ein großer Vorteil einer solchen Konstruktion wäre, dass der Markt für europäische Staatsanleihen viel liquider wäre als jeder einzelne der nationalen Märkte, was ihn für institutionelle Anleger sehr attraktiv machen würde. Die Zinsen müssten daher nicht unbedingt höher sein als die, die der Bund heute zahlt (2,25 Prozent), zumal Euroland als Ganzes fundamental ja nicht schlechter dasteht als die USA oder Japan, ganz zu schweigen von Großbritannien. Die zehnjährigen Renditen dieser drei Länder liegen bei nur 1,88 Prozent, 0,97 Prozent und 2,22 Prozent.

Die EZB würde verantwortlich sein für die Stabilität des Geld- und Finanzwesens und des Preisniveaus (in dieser Reihenfolge!), aber ihre Unabhängigkeit bewahren. Sie wäre der lender of last resort für die Banken Eurolands, nicht aber für die staatlichen Schuldner. Sie müsste, nach meiner Auffassung, daher letztlich auch für die Bankenaufsicht zuständig sein. Denn wie könnte man ihr zumuten, Banken zu retten, denen sie keine Vorschriften machen kann. Die Bankenaufsicht wäre dann wohl eine (ausgelagerte) Abteilung der EZB. Damit löste sich auch das Problem in Luft auf, dass kleine Länder im Ernstfall nicht in der Lage sind, ihre Banken zu rekapitalisieren, weil das ihre eigenen Verschuldungslimits sprengen und ihre Bonität ruinieren würde, oder weil das, wenn sie es dennoch tun, gewaltige realwirtschaftliche Kosten verursacht – Stichwort Irland.

Das alles erfordert Vertragsänderungen, und zwar ziemlich rasch. Und es muss einer skeptischen deutschen Öffentlichkeit vermittelt werden, dass diese Finanzunion eine gute Sache ist, und allemal billiger als sich vom Euro zu verabschieden. Wenn ich mir die Reaktionen auf meinen letzten Blog-Beitrag anschaue, wird das ein schweres Stück Arbeit. Ich vermute aber, dass die politische Klasse allmählich an Bord kommt.