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Wie berechtigt ist die Kritik am Sachverständigenrat?

 

Heike Göbel kritisiert bei Fazit den Zustand des Sachverständigenrat:

In seinem derzeitigen kraftlosen, unentschlossenen Zustand und mit seinen sprunghaften Empfehlungen ist der Sachverständigenrat nicht hilfreich.

Nun kann man sich tatsächlich fragen, wie sinnvoll ein solches Beratungsgremium grundsätzlich ist und wie eindeutig seine Botschaften angesichts einer gespaltenen Wissenschaft sein müssen. Und mit dem Vorschlag eines Schuldentilgungspakts im letzten Gutachten hat der Rat ein enormes nationales und internationales Echo hervorgerufen – so kraftlos scheint er also nicht zu sein. Was mich zu der Vermutung veranlasst, dass es in Göbels Kritik gar nicht darum geht, wie relevant der Rat ist, sondern um seine inhaltliche Ausrichtung. So schreibt sie:

 Auch in der Euro-Debatte bietet der Rat keine Orientierung: Der im Elfenbeinturm fein ausgeklügelte Schuldentilgungspakt, den er im jüngsten Gutachten präsentiert hat, um für Fiskaldisziplin im Euroraum zu sorgen, ist eine Einladung an die Politik, die Schulden im Euroraum zu vergemeinschaften.

Das ist eine Kritik an der Substanz der Empfehlung, nicht an ihrer Wirkungsmacht. Oder hier:

Peter Bofinger ist in seiner Rolle als ewiger Keynesianer erstarrt. Vielleicht  sollten beide jetzt mit Frau Weder die Mauro ausscheiden. Damit wäre der Weg frei für eine durchgreifende Erneuerung, an fähigen Köpfen mangelt es nicht

Heike Göbel hat also offensichtlich vor allem ein Problem damit, dass im Rat ein Keynesianer sitzt und dass die Professoren eine – begrenzte – Vergemeinschaftung der Schulden im Euro-Raum vorschlagen. Mit anderen Worten: Ihr passt die Richtung nicht, die der Rat eingeschlagen hat. Das ist natürlich eine legitime Sichtweise, die aber  letztlich in einer weltanschaulichen Position gründet und damit keine Objektivität beanspruchen kann. Genauso gut könnte man sagen, Lars Feld sei als ewiger Ordnungspolitiker erstarrt und sollte ausscheiden.

Weil sie eine kluge Journalistin ist, weiß sie das auch und verkauft ihre Kritik am Inhalt deshalb als in objektiven Tatsachen gründenden Zweifel an der Relevanz des Gremiums (was eine bekannte Argumentationsfigur in der politischen Auseinandersetzung ist. Deshalb sagen so viele Politiker auch nicht „ich will“, sondern „die Menschen wollen“). Am Ende schreibt sie:

 Man wünscht sich eine engagierte Ökonomentruppe, an deren Rat Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit nicht länger einfach vorbeikommen.

Mein Vorschlag: Paul Krugman, Brad de Long, Ken Rogoff, Adam Posen, Jean Pisani-Ferry. Alles höchst renommierte und engagierte Ökonomen mit Praxiserfahrung. Wenn es ihr wirklich nur um das Ansehen ginge, müsste Heike Göbel damit einverstanden sein.