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Moral Hazard – eine deutsche Obsession

 

Es ist außerordentlich interessant, die Kommentare zum Hilfskredit in Spanien, in der internationalen und der deutschen Presse zu vergleichen. Für Deutschland spricht beispielsweise Heike Göbel in der FAZ:

Die neue sanfte Schirmherrschaft wird anderorts Begehren wecken. Auch Italien nähme gewiss gern Geld ohne harte Vorgaben. Und Irland dürfte fordern, seine Konditionen nachträglich zu mildern. Der Fall Spanien zeigt so: Vom „deutschen“ Prinzip, Hilfe im Euroraum nur gegen aller-strikteste Reformauflagen zu gewähren, ist nicht mehr viel übrig.

Hier ist sie wieder, die Angst vor dem Moral Hazard, die ein Grundprinzip der deutschen Wirtschaftspolitik ist. Die Auflagen für Griechenland waren auch deshalb so streng und die Zinsen so hoch, weil die deutsche Bundesregierung Nachahmer fürchtete. Besonders putzig ist das Argument, wenn man bedenkt, dass ja nicht Spanien die Hände nach dem Rettungsschirm ausstreckte, sondern von den Europäern – auch den Deutschen – unter eben diesen Schirm gezwungen wurde. Genau wie vorher schon Portugal.

Während sich die deutschen Medien also mit langfristigen Anreizwirkungen und Moralfragen beschäftigen, geht die internationale Presse der vielleicht nicht ganz unwichtigen Frage nach, ob das Hilfspaket in der Lage ist, die engen Bande zwischen Staaten und Banken zu kappen. Ob es also funktioniert. Wie Wolfgang Münchau schreibt:

It reshuffles debt from one end of the Spanish economy to another.

Denn Spanien muss sich das Geld für die Rekapitalisierung leihen und damit erhöht sich die Staatsschuld – und falls die Mittel vom ESM kommen, werden die existierenden privaten Gläubiger sogar noch schlechter gestellt, weil der ESM dem Status eines bevorrechtigten Gläubigers innehat. Der Vorteil für Spanien liegt allein darin, dass die Zinsen auf den Hilfskredit niedriger sein dürften als die Zinsen, die das Land am Markt bezahlt, und die möglicherweise in den aktuellen Anleihekursen eingepreist sind (was für eine kleine Rallye am spanischen Bondmarkt spricht).

Nun wäre eine direkte Rekapitalisierung der Banken durch den EFSF/ESM wohl schwer zu machen gewesen, weil dazu die Verträge geändert werden müssen und der Fonds zu einer echten Bankenrettungseinheit ausgebaut werden müsste (schließlich würde er Bankanteile halten). All das ist wohl kurzfristig nicht möglich gewesen. Aber das erschreckende ist, dass dieses zentrale Problem in Deutschland – zumindest von wenigen Ausnahmen abgesehen in den deutschen Medien – noch nicht einmal erkannt beziehungsweise für berichterstattungswürdig erachtet wurde.

Wir haben es halt lieber grundsätzlich.