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Volker Wieland, der Rat und die Fiskalpolitik

 

Volker Wieland aus Frankfurt soll in den Sachverständigenrat einziehen. Glückwunsch zunächst, Wieland ist ein kluger Wissenschaftler, der viel für das Ansehen seines Fachs – gerade in Deutschland – getan hat.

Offene Fragen aber bleiben in seinen Arbeiten zur Finanzpolitik. Er ist Co-Autor eines inzwischen recht bekannten Papiers zur Wirksamkeit von Konjunkturpolitik, das er mit Tobias Kwik, John Taylor und John Cogan im Jahr 2009 verfasst hat. Alles klasse Ökonomen – aber trotzdem überzeugt ihre Arbeit nicht.

Taylor et al schauen sich also mit Hilfe eines neukeynesianischen Modells an, wie sich kreditfinanzierte höhere Staatsausgaben auf die Konjunktur auswirken. Ergebnis:

The multipliers are less than one as consumption and investment are crowded out. The impact in the first year is very small. And as the government purchases decline in the later years of the simulation, the multipliers turn negative.

Das steht im Widerspruch zu einem Papier von Christina Romer und Jared Bernstein, die viel optimistischere Ergebnisse hatten und damit Obamas Konjunkturprogramme legitimierten. Der Unterschied rührt vor allem daher, dass Wieland et al annehmen, dass die Zinsen steigen. Konkret gehen sie davon aus, dass die Fed im Jahr 2009 schon mit Zinserhöhungen beginnt, um die Inflation unter Kontrolle zu halten (wobei sie diese Annahme teils aus der Modellstruktur ableiten).

In einem solchen Fall ist es natürlich nicht verwunderlich, dass höhere Staatsausgaben andere Ausgaben verdrängen. Die Frage ist nur, wie realistisch das ist. In einer Situation mit stark unterausgelasteten Kapazitäten muss die Fed so schnell nicht agieren – einmal abgesehen davon, das auch am Kapitalmarkt kein Zinsdruck entstehen sollte, weil die Investitionsbereitschaft gering ist und damit viel überschüssiges Geld „herumliegt“ –, und immerhin haben wir inzwischen fast 2013 und die Zinsen sind immer noch niedrig.

Nun hat sich Wieland mit anderen Autoren (Taylor ist wieder dabei) angeschaut, wie sich die Haushaltskonsolidierung auf das Wachstum auswirkt. Dabei geht er davon aus, dass die Ausgaben gekürzt werden und sogar noch etwas übrig bleibt, um Steuern senken zu können.  Ergebnis: Sparen kurbelt die Konjunktur an.

First, lower levels of government spending in the future, compared to the  baseline, imply lower tax rates which provide incentives and stimulate employment. Second,  the expectation of reduced government spending in the future lowers interest rates, which  stimulates demand today offsetting the decline in government spending in the short run. And third, the lower interest rate reduces the exchange rate thereby increasing net exports which  also offset the decline in government spending.

Das sind nun auch sehr gewagte Annahmen, zumal in einer Situation mit unterausgelasteten Kapazitäten, in der die Menschen wahrscheinlich nicht in erster Linie nicht arbeiten, weil die Einkommenssteuern zu hoch sind, sondern weil es schlicht keine Jobs gibt. Warum das Zinsargument – und damit auch das Wechselkursargument – fragwürdig ist, wurde bereits erläutert.

Nun muss man fairerweise sagen, dass Wieland et al sich, wenn ich es richtig sehe, auf vorhandene und weit verbreitete makro-ökonomische Modelle beziehen, die sie auf den konkreten Fall anwenden. Aber dann sind eben möglicherweise die Modelle Schrott – oder zumindest in der aktuellen Situation nicht anwendbar.

Jedenfalls wäre ich gerne dabei, wenn Peter Bofinger und Volker Wieland über die Fiskalpolitik diskutieren.