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Wie arm sind wir eigentlich?

 

Holger Steltzner holt in der FAZ groß aus und erklärt, warum die Deutschen doch arm sind. Hier seine Argumente – und meine Entgegnung.

Angeblich seien die Vermögen nicht vergleichbar, weil die Immobilienwerte nicht überall im Jahr 2010, sondern teils noch im Jahr 2008 ermittelt wurden. Das gilt allerdings nur für Spanien. 

Der entscheidende Punkt ist nicht, dass die Daten aus Spanien früher ermittelt wurden. Die Immobilienpreise in vielen südeuropäischen Ländern waren im Jahr 2010 nach einer jahrelangen Expansionsphase schlicht überhöht und sind damit als Indikator für die Vermögenslage problematisch. Wie Norbert Häring im Handelsblatt schreibt – und wie jeder weiß, der sich einmal angeschaut hat, wie die Menschen in Italien oder Spanien wohnen: Die Wohnungen dort sind nicht größer, schöner oder besser, sondern waren überteuert. Der Versuch, diesen vermeintlichen Wohlstand im großen Stil in Geld umzusetzen, hätte einen Preisverfall ausgelöst. Und genau diesen Preisverfall beobachten wir ja auch. Es handelt sich um Scheinreichtum, der sich nun auch in Luft auflöst.

Außerdem seien die Haushaltsgrößen verschieden. Auch das stimmt nicht. Deutschland liegt mit etwas mehr als zwei Personen nur knapp unter dem Euro-Schnitt von 2,32.

Immerhin. Das macht bei einem Gesamtvermögen von 1.000 Euro einen Unterschied von 500 gegenüber 430 Euro pro Kopf aus.

Manche wollen die Deutschen nun sogar mit ihren angeblich üppigen Rentenansprüchen reichrechnen. Das ist putzig. Seit wann werden in einem Umlageverfahren Vermögen gebildet? Der heimische Rentner oder Pensionär mag einen Rechtsanspruch haben, aber aufbringen muss das Altersgeld die nachwachsende Generation aus dem laufenden Einkommen. Das ist nicht vergleichbar mit Kapitalbildung über Lebensversicherung, Fonds oder Sparbuch. 

Am Ende ist zumindest in einer geschlossenen Volkswirtschaft jede Form von Vermögenstitel ein Anspruch an die Produktionsleistung der kommenden Generation. Das Sparbuch kann man genau so wenig essen wie den Rentenanspruch. Der Punkt ist, dass sich das Sparverhalten und damit die von der Studie erfasste Vermögensbildung in einem Land, dessen Bevölkerung im Alter durch ein Umlagesystem abgesichert ist, maßgeblich unterscheiden wird von der eines Landes, dass keine Rentenversicherung kennt.

Niemand wird bestreiten, dass die Wohlhabenden in den Krisenländern einen Beitrag zur Sanierung leisten sollen. Jederzeit mit Zwangsanleihen und Bail-Ins wie in Zypern. Aber auf Basis der Mediandaten den Eindruck zu erwecken, Deutschland sei das Armenhaus Europas, ist nicht nur eine Fehlinterpretation der Studie, sondern so weit von der Lebenswirklichkeit entfernt, wie es nur geht. Und wenn in Deutschland das Vermögen falsch verteilt ist, dann ist das nicht die Schuld der Italiener oder Griechen.

Ich glaube übrigens, für die EZB war der wichtigste Grund, die Veröffentlichung der Daten zurückzuhalten, dass man wusste, wie sie interpretiert würden.

Update: Robert von Heusinger, Egghat und viele andere machen den wichtigen Punkt, dass das gesamte Vermögen einer Volkswirtschaft – also Staat, Unternehmen und Privathaushalte – natürlich von der Nettoauslandsposition erfasst wird. Dabei handelt es sich sozusagen um die kumulierten Leistungsbilanzsalden, denn innerhalb eines Landes ergeben Forderungen und Verbindlichkeiten natürlich zusammengenommen null. Auf dieser Basis brauchen wir gar nicht lange zu reden, denn Deutschland liegt hier ganz klar meilenweit vorne und praktisch der komplette Süden ist bei uns verschuldet – was in letzter Konsequenz natürlich bedeutet, dass wir durch die Rettung der anderen in Wahrheit unsere Forderungen retten.

Aber natürlich kann es trotzdem sinnvoll sein, sich die Vermögenslage der Haushalte anzusehen, weil am Beispiel Italien deutlich wird, dass den hohen Staatsschulden durchaus auch große private Vermögen entgegenstehen. Und weil die Haushalte im Süden ja zum Beispiel auch Forderungen aus dem Ausland halten.