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EZB pumpt Liquidität durch löchrigen Schlauch

 

Nachdem nun auch die EZB, der aktuellen Mode folgend, langfristige Leitlinien für ihre Zinsen vorgegeben hat („forward guidance„), fragt sich, ob das, neben dem nicht minder aktuellen „quantitative easing„, das inzwischen ebenfalls zu den Instrumenten unserer europäischen Notenbank gehört, die Verbraucher und Unternehmen tatsächlich animiert, sich endlich wieder stärker zu verschulden und Geld auszugeben.

In der Financial Times gab es am Mittwoch einen Artikel von John Kay („Quantitative easing and the curious case of the leaky bucket„), in dem er argumentiert, dass es den Notenbanken seit Beginn der Finanzkrise zwar gelungen ist, die Liquiditätsprobleme der Banken zu lösen, aber nicht gleichzeitig auch die Nachfrage des privaten Sektors wieder in Schwung zu bringen. Es sei ohnehin noch nie so richtig klar gewesen, ob das in einer Rezession, wenn die Stimmung schlecht und das Vertrauen in die Zukunft auf einem Tiefpunkt ist, durch geldpolitische Maßnahmen überhaupt möglich sei. Die Notenbanken pumpen und pumpen Liquidität, aber der Schlauch hat viele Löcher – bei den potenziellen Schuldnern kommen nur ein paar Tropfen an. Das folgende Schaubild zeigt das auf eindrucksvolle Weise.

Grafik: Die Entwicklung der Geldbasis und der Kreditvergabe in verschiedenen Währungsräumen
Die Entwicklung der Zentralbankgeldmenge und der Kreditvergabe in verschiedenen Währungsräumen

Zumindest in der kurzen Frist erkenne ich allerdings, wenn ich mir die Zahlen anschaue, eine ziemlich enge Korrelation zwischen der Expansion der Zentralbankbilanzen und der wirtschaftlichen Dynamik. Insofern bewirkt das „quantitative easing“ doch etwas Positives in der Realwirtschaft. In den drei Ländern, wo auf Teufel komm raus Geld gedruckt wird, expandiert das reale saisonbereinigte BIP zur Zeit mit Raten von zwei Prozent (USA), knapp vier Prozent (Japan) und 3,5 Prozent (GB), während die Verlaufsrate im Euroland, mit seiner schrumpfenden Notenbankbilanz, vermutlich nur zwischen plus 0,5 und ein Prozent liegt (für 2013 insgesamt wird im Vorjahresvergleich voraussichtlich -0,6 Prozent herauskommen).

Ich weiß, dass Korrelation und Kausalität nicht das Gleiche sind. Post hoc ist nicht ergo propter hoc. Ein Kanal, durch den die Liquiditätsschwemme die Nachfrage nach Gütern, Dienstleistungen und Arbeit stimulieren kann, sind die sogenannten Vermögenseffekte. Indem die Banken, die nicht wissen wohin mit dem vielen billigen Geld, Aktien und Anleihen kaufen (mit Immobilien haben sie es weniger), treiben sie deren Kurse in die Höhe. Die Haushalte, die in Form von Wertpapieren und Fonds sparen, fühlen sich reicher; die Manager der Aktiengesellschaften wiederum können nicht nur auf höhere Boni hoffen, was sie optimistisch stimmen dürfte, sie sind, was viel wichtiger ist, in der Lage, Eigenkapital zu günstigeren Konditionen zu bekommen: Die Menge an rentablen Investitionsprojekten erhöht sich. Mit anderen Worten, tendenziell ist das „quantitative easing“ realwirtschaftlich etwas Positives.

Es lässt sich einwenden, dass es am Ende zu einer Katastrophe in Form von Hyperinflation kommen könnte, wenn die Notenbanken nicht allmählich aufhören mit ihrer Gelddruckerei. Kann sein, aber wenn ich befürchte, dass die Sache so ausgehen wird, habe ich doch einen starken Anreiz, heute möglichst viele Schulden zu machen, mir ein Haus oder Auto zu kaufen und meine Fabrik zu erweitern. Eine Flucht in die Sachwerte ist genau das, was der Arzt in dieser konjunkturellen Lage verschreiben würde.

Das Traurige ist, dass der Staat nicht wagt, die sehr niedrigen Realzinsen für langfristige Investitionen in die Infrastruktur und die Qualität des Bildungswesens zu nutzen, also den Kapitalstock zu modernisieren und zu vergrößern. Der Bund kann sich heute fest auf 30 Jahre zu 2,44 Prozent verschulden. Nach Abzug der erwarteten Inflation ist das ein Realzins von nahe Null, und wenn es in diesem langen Zeitraum wirklich einmal viel höhere Inflationsraten geben sollte, umso besser – dann wären die Realzinsen zur Freude der Steuerzahler sogar negativ.

Ich wundere mich, dass die Regierung diese Chance auslässt. Konjunkturbereinigt gibt es stattdessen einen gewaltigen Haushaltsüberschuss. Warum sich beim realen BIP mit Zuwachsraten von weniger als ein Prozent zufriedengeben? Dem Euro würde es ebenfalls helfen: Wenn Deutschlands Wirtschaft kräftiger wächst, haben die anderen Länder eine Chance, ihre Schulden durch Exporte zu vermindern statt immer wieder um Zahlungsaufschub betteln zu müssen. Sie könnten ihren Wählern die Sparpolitik und Strukturreformen angesichts der bedrohlich hohen Arbeitslosigkeit viel besser vermitteln, wen sie darauf verweisen können, das auch der größte Gläubiger die Rolle spielt, die von ihm erwartet werden kann.