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Mehr Transparenz in der EZB – eine gefährliche Idee

 

Die EZB wird ihre Sitzungsprotokolle also veröffentlichen, sagt Mario Draghi. Er halte das für den notwendigen nächsten Schritt, lässt er sich in der SZ zitieren. Die Frage muss sein: Ist das eine gute Idee?

Zunächst einmal ist Transparenz nie schlecht. Aber sie ist kein Selbstzweck. Die EZB bezieht ihre Legitimität daher, dass sie das ihr vorgeschriebene Ziel – Preisstabilität und die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der EU – erreicht. Daran muss sie sich messen lassen.

Was folgt daraus im konkreten Fall? Ich bin mir zunächst nicht einmal sicher, ob die EZB überhaupt ein Transparenzproblem hat. Es gibt eine ausführliche Pressekonferenz nach jeder Zinssitzung und die Ratsmitglieder halten praktisch ständig Reden oder geben Interviews. Ich habe nicht das Gefühl, dass man noch mehr aus dem Eurotower hören will.

Darüber hinaus wird die Veröffentlichung der Protokolle vor allem eine Folge haben: Man wird in den Sitzungen nur noch Fensterreden halten und alles Wichtige in kleinen Runden ausmachen. Das kann sogar zu weniger Transparenz führen.

Ich hätte für eine solche Verlagerung sogar Verständnis. Wenn in den Protokollen tatsächlich die Positionen mit den jeweiligen Namen auftauchen würden, dann wäre Schluss mit einer offenen Debatte. Dann bräuchte sich jeder nationale Gouverneur, der nicht eine Haltung vertritt, die den Interessen seines Landes entspricht, in der Heimat nicht mehr sehen lassen.

Der Verweis auf die USA greift zu kurz: Erstens werden dort keine Namen genannt und zweitens entsprechen die Notenbankdistrikte dort keinen mobilisierungsfähigen politischen Einheiten. Der Distrikt von San Francisco etwa reicht von Alaska bis Hawaii – man wird sich nicht zusammentun, um Druck auf den Gouverneur der regionalen Notenbank auszuüben, zumal die wirtschaftliche Lage in den verschiedenen Gebieten des Distrikts sehr unterschiedlich sein kann.

In einem Europa der Nationalstaaten sieht das anders aus. Erstens verläuft die Konjunktur synchroner und zweitens gibt es ein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl und einen national strukturierten medialen Diskurs. Man wird also den nationalen Gouverneur als Interessensvertreter begreifen und entsprechend auf ihn Einfluss nehmen.

Verhindert werden könnte das, wenn man dem Vorschlag von Michael Burda folgt und die Euro-Zone wie die USA organisiert – also die nationalen Zentralbanken auflöst und künstliche Regionen ohne politische Bindungskraft wie in den USA schafft. Aber sind wird dazu bereit?

Mit anderen Worten: Die Transparenzinitiative ist eine ehrenwerte Idee, aber ich fürchte, sie könnte in Europa einigen Schaden anrichten.