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Draghis klare Worte

 

Das war ziemlich eindeutig: Der Zentralbankrat „fühlt sich wohl dabei, beim nächsten Mal zu handeln“, sagte Mario Draghi bei der allmonatlichen Pressekonferenz in Brüssel. Wenn nicht etwas Außergewöhnliches passiert, wird die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer nächsten Sitzung im Juni die Geldpolitik erneut lockern. Der Grund liegt auf der Hand: Die Inflationsrate in der Euro-Zone liegt deutlich unter dem Ziel der EZB und so schnell wird sie auch nicht wieder steigen. Das hat mit der schwachen Wirtschaft zu tun, aber auch mit der Aufwertung des Euro, die die Importe verbilligt. Angesichts der wegen Krimkrise und  Turbulenzen in den Schwellenländern wachsenden Risiken für Anleger im Rest der Welt bringen die Anleger ihr Geld wieder nach Europa, weshalb die Währung zulegt.

Draghi zieht damit endlich die Konsequenzen aus der permanenten Zielverfehlung der Notenbank. So wie die EZB nie erlauben würde, dass die Preise zu schnell steigen, so darf sie auch nicht zulassen, dass sie zu langsam steigen.  Wer sich Ziele gibt, muss diese auch einhalten – und gerade für die  hochverschuldeten Staaten Südeuropas ist eine zu niedrige Inflationsrate Gift, weil sie die Tragfähigkeit der Schulden gefährdet.  Deshalb ist auch die jetzt besser laufende Konjunktur kein Argument gegen neue Aktionen der Zentralbank. Der Aufschwung ist noch sehr schwach und die volkswirtschaftlichen Kapazitäten in der Euro-Zone sind noch lange nicht ausgelastet.

Braucht Deutschland niedrigere Zinsen? Nein. Aber die EZB kann ihre Politik nicht allein an Deutschland ausrichten. Wenn hierzulande etwa die Immobilienpreise zu schnell steigen, dann muss eben die  nationale Finanzaufsicht dagegen vorgehen und zum Beispiel die Banken zu mehr Vorsicht bei der Kreditvergabe drängen. Die deutschen Sparer werden noch einige Zeit mit niedrigen Zinsen leben müssen, aber es ist auch nicht die Aufgabe der EZB, den Sparern eine ordentliche Rendite zu garantieren.

Und ohnehin gilt: Die Zinspolitik der Notenbank ist nur eine Determinante der für die Sparer wichtigen langfristigen Zinsen. Der Zins ist der Preis des Geldes. Er wird erst wieder steigen, wenn die Nachfrage nach Kapital für Investitionen das Angebot an Kapital der Sparer übersteigt. Deshalb könnten niedrigere Zinsen heute – indem sie die Konjunktur stabilisieren – gerade die Grundlage für höhere Zinsen später legen.

Die Frage ist: Was wird Draghi tun? Aus seinen jüngsten Aussagen lässt sich der Schluss ziehen, dass die EZB auf groß angelegte Anleiheprogramme verzichten wird. Stattdessen wird sie wohl die Zinsen noch einmal senken – und möglicherweise auch negative Einlagezinsen in Betracht ziehen. Ökonomisch gesehen kommt die EZB wahrscheinlich zu spät, politisch hat der Termin Charme: Die Europawahlen sind dann vorbei und in Deutschland kann niemand mit der Entscheidung Stimmung machen.