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Griechenland verdient die Unterstützung Deutschlands

 

Yanis Varoufakis, der Wirtschaftsprofessor und neue griechische Finanzminister, hat letzte Woche in Berlin bei der Pressekonferenz mit Wolfgang Schäuble in einem emotionalen Statement an die Solidarität der Deutschen appelliert, da gerade Deutschland aus der historischen Erfahrung der 1930er Jahre weiß, wie schlimm die politischen Folgen einer Wirtschaftsdepression sein können.

Sind das nur Sprüche eines Griechen, der an „unser Geld“ will? Mitnichten. Die wirtschaftliche Katastrophe Griechenlands wird hierzulande kleingeschrieben. Vergleicht man Weimar in der Weltwirtschaftskrise und Griechenland heute, sieht man schnell erschreckende Ähnlichkeiten. Mehr noch: Mittlerweile ist die griechische Wirtschaft tiefer gestürzt und die Krise dauert länger als die der Weimarer Republik.

Abb1: Vergleich der Wirtschaftsleistung: Weimarer Republik und Griechenland

Wie die Abbildung zeigt, war die Wirtschaftsleistung der Weimarer Republik seit dem Ausbruch der Weltfinanzkrise von 1929 bis 1932 um 16 Prozent gesunken – unter den von der Krise betroffenen Ländern litten nur noch die USA unter einer vergleichbar tiefen Krise. Griechenlands Krise dauert mittlerweile schon sieben Jahre und die Wirtschaftsleistung ist noch viel stärker gefallen als in Weimar, um ein Viertel. Wie in Weimar und in Griechenland die Krise durch eine radikale Senkung der Staatsausgaben krass verschlimmert wurde, zeigt die folgende Abbildung.

Abb2: Vergleich der Staatsausgaben: Weimarer Republik und Griechenland

Um ein Viertel sind in Griechenland mittlerweile die öffentlichen Ausgaben gefallen; in Weimar bis 1932 nur um ein Fünftel. Kein Industriestaat in der Nachkriegszeit hat so sehr die Staatsausgaben gesenkt wie die Griechen. Niemand kann behaupten, die Griechen hätten nicht gespart. Weil die etablierten Parteien von damals – Sozialdemokraten und Zentrumspartei – nichts gegen die Massenverelendung unternahmen, wählten die Deutschen 1933 Hitler. Der konnte sich leicht profilieren, indem er den internationalen Konsens in der Wirtschaftspolitik aufkündigte und ab 1933 massiv die Staatstätigkeit ausweitete. Das brachte die Deutschen wieder in Lohn und Brot und bildete die entscheidende Legitimation für die Naziherrschaft, die später in den Krieg führen sollte. Die europäische Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg sollte eigentlich dazu führen, nie wieder die gleichen wirtschaftspolitischen Fehler zu begehen.

In Griechenland heute wie in Weimar damals ist das große Sparen vor allem eine Folge der hohen Auslandsschulden: Weimar war gegenüber den Franzosen, Briten und Amerikanern verschuldet; Griechenland heute gegenüber den übrigen Ländern der Währungsunion. Helfen wollte man den Deutschen so lange nicht, wie diese nicht hart sparten. Besonders die Franzosen mokierten sich über den vermeintlichen deutschen Schlendrian. Der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann hat ein schönes Zitat vom März 1930 aus dem französischen Figaro gefunden, das das Scheitern der Großen Koalition unter dem sozialdemokratischen Kanzler Hermann Müller kommentiert:

„Es sind keine unüberwindbaren materiellen Schwierigkeiten, die das Ende der Großen Koalition provoziert haben. Gewiss, das Budget ist schwer, das Defizit beunruhigend. Doch mit Energie wäre es möglich, die schwere, aber keineswegs verzweifelte Situation zu heilen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste man indessen ein äußerst striktes Sparprogramm auflegen, vor allem bei den Sozialversicherungen, die ein Fass ohne Boden geworden sind. Nur wollen die Sozialisten nichts vom Sparen hören.“

Was heute die Deutschen über den Rest Europas sagen, mussten sie sich damals selbst vom Rest Europas anhören. Wie heute in Griechenland, so wurde auch damals in Weimar der Staatshaushalt von außen überwacht und den Deutschen strenge Sparauflagen auferlegt. Die Freude darüber war nicht groß.

Dass sich die etablierten Parteien heute wie damals strikt an die Sparauflagen hielten und damit die Krise verschärften, stärkte die rechten und linken Ränder. Aber einen großen, einen zentralen Unterschied gibt es: In Griechenland hat eine linke Partei gewonnen, deren Finanzminister nicht die Stärke der eigenen Nation beschwört, sondern sich zu Recht auf die Idee Europas, auf die Idee der Völkerverständigung beruft. Wenn es Syriza und ihr polyglotter Finanzminister in Griechenland nicht schaffen, wird das Land weiter in der Krise verharren. Das wird zu mehr Nationalismus, zu mehr Feindschaft zwischen den Nationen Europas führen. Kein Europäer kann das wollen.