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QE beschleunigt das Bankensterben

 

Für die Banken wird es eng, wenn ihre Zinseinnahmen weiter sinken. Sie sind ihre wichtigste Einnahmequelle. Durch das Quantitative Easing (QE), den massiven Ankauf von staatlichen Anleihen und anderen Vermögenswerten durch die Notenbanken des Eurosystems, das nächsten Monat beginnt, dürften vor allem die Zinsen für längere Laufzeiten unter Druck geraten – die kurzen haben ja bereits die Nulllinie erreicht. Obwohl die Banken nicht fürchten müssen, dass die Leitzinsen in den nächsten Jahren erhöht werden und sie daher davon ausgehen können, dass sie ihre Kredite und festverzinslichen Wertpapiere weiterhin fast kostenlos und ohne großes Risiko am Geldmarkt und durch Einlagen ihrer Kunden finanzieren können, schmilzt ihnen doch die sogenannte Marge weg. Je flacher die Zinskurve ist, also je geringer der Abstand zwischen den kurzfristigen und den langfristigen Zinsen, desto weniger bleibt für sie übrig. Mit der sogenannten Fristentransformation lässt sich kaum noch Geld verdienen.

In den 40 Jahren, die die folgende Grafik abdeckt, übertrafen die Geldmarktsätze die Renditen von länger laufenden Wertpapieren immer dann, wenn die Bundesbank und später die EZB eine restriktive Politik betrieben hat, um die Inflation unter Kontrolle zu halten. Negative oder sehr geringe Margen kamen also stets nur vor, wenn die Notenbank versuchte, die Konjunktur abzubremsen. Die Phasen steigender und anhaltend hoher Notenbankzinsen umfassten in diesen gut 40 Jahren insgesamt 178 Monate (1972:10 – 1974:09, 1979:01 – 1982:07, 1988:06 – 1992:09, 1999:11 – 2001:04, 2005:12 – 2008:09, 2011:04 – 2011:10). In den restlichen „normalen“ Zeiten betrug die Zinsmarge (hier der Spread zwischen der Rendite 10-jähriger Bundesanleihen und dem 3-Monatsgeldmarktzins) im Durchschnitt komfortable 173 Basispunkte.

Grafik: Anleiherenditen und Geldmarktsatz 1973-201501

Damit ist es vorerst vorbei (im Januar 2015 lag dieser Spread nur noch bei 44 Basispunkten), denn die EZB versucht mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, gegen das Risiko vorzugehen, dass die Inflationsraten zu lange zu niedrig bleiben. Durch das Ankaufprogramm soll die Bilanz der Notenbank deutlich verlängert und ihre Struktur verändert werden, mit dem Ziel, die Inflationserwartungen zu stützen, die Realzinsen zu senken und eine unerwünschte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen zu verhindern. Darüber hinaus werden die Ankäufe die Renditen der Staatsanleihen reduzieren, wodurch die Konjunktur belebt und die Inflationsrate wieder auf knapp unter zwei Prozent erhöht werden soll. (vgl. EZB Wirtschaftsbericht, 2015/1, S. 19). Insgesamt setzt die EZB darauf, dass sich die Finanzierungsbedingungen im gesamten privaten Sektor verbessern werden, angestoßen durch den Renditerückgang bei den Staatsanleihen.

Mit anderen Worten, die langen Zinsen werden nach dem Drehbuch von Mario Draghi nicht nur so lange niedrig gehalten, bis die Konjunktur wieder Tritt gefasst hat, sondern „bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt„. Real sollen sie offenbar für eine Weile im negativen Bereich gehalten werden. Für die Banken sind das schlechte Nachrichten. Sie können nicht damit rechnen, dass sich die Zinsmarge erholen wird, vielmehr müssen sie sich auf eine lange Durststrecke einstellen. Konkret: Sie werden nicht darum herumkommen, ihre Kosten dramatisch zu vermindern. Der Bankensektor steht daher vor einer neuen Konsolidierungswelle.

Auch aus anderen Gründen sind die Erträge unter Druck geraten: Nach den Skandalen der Finanzkrise müssen die Banken neuerdings gegenüber der Aufsicht striktere, umfangreichere und damit teurere Auflagen erfüllen; durch technische Neuerungen im Zahlungsverkehr und im Wertpapiergeschäft versiegen zudem zunehmend Teile ihrer traditionellen Einkommensquellen. Sie sind darüber hinaus gezwungen, ihre Kapitalpuffer zu verstärken, also Reserven zu bilden – am ehesten geht das zurzeit durch strikte Sparprogramme. Ein Grund für den Zusammenbruch von Banken war schlicht und einfach gewesen, dass sie mit zu viel geliehenem Geld operiert hatten, im Vertrauen darauf, dass sie im Ernstfall von den Steuerzahlern gerettet würden. Es darf nicht noch einmal passieren, dass sie schon durch einen relativ moderaten Preisverfall ihrer Aktiva ins Schleudern geraten.

Die Bankmanager sollten zudem im Hinterkopf behalten, dass die EZB eines Tages wieder einmal eine restriktive Politik verfolgen, also die Leitzinsen erhöhen wird, wenn nämlich die Inflation endlich angesprungen ist und das Ziel der Übung damit erreicht ist. Aus einer mickrigen Zinsmarge wird dann schnell eine negative – und wer dann nicht über genügend Reserven verfügt, fliegt aus dem Markt. Ich vermute, dass die Zinsmargen mindestens bis zum Sommer 2017 unter Druck bleiben werden.

Grafik: Anzahl der Banken in Deutschland, 1970-2014
Grafik: Bilanzsumme der Banken in Deutschland, 1970-2014

Von 1990 bis heute hat sich die Anzahl der Banken bereits von 4.700 auf 1.800 vermindert – ich kann nicht erkennen, dass das Tempo des Prozesses nachlassen wird. Fusionen, Verkürzung der Bilanzen, Schließung personalintensiver Zweigstellen und, last but not least, ein dramatischer Personalabbau werden auf Jahre hinaus die Nachrichten beherrschen. Selbst im Investmentbanking sind die goldenen Zeiten vorbei. Die smarten Absolventen der amerikanischen Business Schools, die davon leben, dass sie das Gras wachsen hören, zieht es neuerdings eher ins Consulting und in die Software-Entwicklung. Da arbeiten die neuen Masters of the Universe.

Die niedrige Zinsmarge ist kein Intermezzo, sondern Ausdruck des Strukturwandels, der sich lange hinziehen wird. Noch wirft der Großteil der Bankaktiva im Vergleich zu den Refinanzierungskosten (von Null) gute Erträge ab. Die meisten wurden zu Zeiten erworben, als die Welt für die Banken noch in Ordnung war. In dem Maße aber, wie diese Aktiva auslaufen, werden sie ersetzt durch solche, bei denen das nicht mehr der Fall ist.