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Ägyptischer Grossmufti: Genitalverstümmelung bringt „unsägliches Leid“ für Mädchen und Frauen

 

Der berühmte Abenteurer Rüdiger Nehberg ist kurz davor, einen sensationellen Durchbruch im Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung zu erzielten. Nehberg, bekannt durch seine vielen waghalsigen Reisen („Im Tretboot über den Atlantik“), ist seit vielen Jahren hauptsächlich als Menschenrechtler aktiv. Seine Organisation „Target“ widmet sich vor allem der Abschaffung der Praxis der so genannten Klitorisbeschneidung.

Auf Initiative von „Target“ treffen sich nächste Woche Mittwoch in Kairo hohe muslimische Theologen, um die Praxis zu ächten. Es werden Teilnehmer aus Ägypten, Somalia, dem Tschad, Mali, Mauretanien, Äthiopien, Eritrea, Qatar, Nigeria, Dschibuti, Marokko, der Türkei und Russland erwartet.

Die Sensation besteht darin, dass der ägyptische Grossmufti Dr. Ali Gomaa als Schirmherr gewonnen werden konnte. Rüdiger Nehberg sagte der ZEIT, er habe eigentlich vorgehabt, die Konferenz in Berlin abzuhalten:

„Doch der Grossmufti schlug vor, dass wir ins theologische Zentrum des sunnitischen Islams gehen, an die Al-Azhar-Universität. Der Grossscheich der Universität, Dr. Mohammed Sayed Tantawi, unterstützt die Konferenz ebenfalls. Auch der ägyptische Religionsminister steht dahnter. Und Jussuf Al-Karadawi, der populärste Prediger der sunnitischen welt, will auch kommen.“

Der Grossmufti findet in seiner Einladung deutliche Worte:

„Es geht um die düstere Wirklichkeit der Genitalverstümmelung an Frauen und die Haltung des Islam zur Unantastbarkeit des weiblichen Körpers. Und es geht um die Achtung der Würde und Ehre des Menschen sowie das Verbot von Aggressionen in jeglicher Form.“

Der letzte Satz lässt ahnen, dass der Mufti diese Initiative in einem weiteren Kontext islamischer Reform sieht. Geniatlverstümmelung ist zwar keine rein islamische Praxis. Auch unter Christen und Juden war und ist sie verbreitet. Doch heute ist die überwältigende Mehrzahl der Täter und Opfer islamisch. und der Koran wird fälschlicher Weise immer wieder als Legitimation hernagezogen.

Das Ziel des Grossmufti besteht offfenbar darin, im Gelehrtenkonsens die Frauenverstümmelung zur „Sünde“ zu erklären. Ein Bann der koranischen Legitimation einer menschenrechtsverletzenden Praxis wäre ein Druchbruch für Millionen Frauen. Und er wäre zugeich ein wichtiger Schritt der islamischen Selbstbesinnung. Die Stellung der Frau im Islam würde ganz neu zum Thema werden, wenn der Islam aus sich heraus die Kraft fände, den schlimmsten Exzess der Frauenfeindlichkeit als unislamisch zu brandmarken.

Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt der deutsche „Zentralrat der Muslime“, der schon vor fünf Jahren mit Nehberg zusammen die Aussage erarbeitete:

„Weibliche Genitalverstümmelung ist mit dem Koran und der Ethik des Islam unvereinbar. Sie ist Gottesanmaßung und eine Diskriminierung des Islam.“

Täglich werden geschätzte 8000 Mädchen zum Opfer der archaischen Praxis. Weltweit leiden an die 150 Millionen Frauen unter den Folgen. Vor allem in den Ländern der Sahelzone ist der Brauch verbreitet. Klitorisbeschneidung ist eigentlich eine verharmlosende Bezeichnung für diese Praxis. Ohne Betäubung und oft von medizinischen Laien wird zumeist die Klitoris samt Schammlippen mit Rasiermessern entfernt.

Nicht nur der traumatische Raub der sexuellen Empfindungsfähigkeit ist die Folge, die Frauen leiden oft lebenslang unter Krankheiten und schmerzhaften Beschwerden.