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Steinmeier: Wir müssen in Afghanistan mehr tun

 

Gespräch mit dem deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier aus der ZEIT von heute (Auszug. Mehr in der Print-Ausgabe und demnächst auf ZEIT online):

ZEIT: Der UN-Beauftrage Tom Koenigs hat im Interview mit der ZEIT befürchtet: Wenn die Amerikaner aus dem Irak abziehen, wird dies die Extremisten in der Region ermutigen, aber auch in Afghanistan. Ist an dieser Befürchtung etwas dran?

Steinmeier: Das ist nicht nur eine Befürchtung, die Tom Koenigs hat. Auch im Baker/Hamilton-Vorschlag, der im Dezember letzten Jahres veröffentlicht worden ist, wurde ein übereilter Rückzug abgelehnt, weil er das Gefährdungspotenzial erhöht. Stattdessen wurde ein Rückzug in Stufen und in Abhängigkeit von der Entwicklung der Sicherheitslage vorgeschlagen.

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Frank-Walter Steinmeier Foto: JL

ZEIT: In Basra haben nach dem Rückzug der Briten Schiiten auf Schiiten geschossen.

Steinmeier: Ich habe nicht ohne Not gesagt, dass Entscheidungen über den Rückzug in Abhängigkeit von der Sicherheitslage zu treffen sind. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Diejenigen, die militärisch interveniert haben, tragen auch besondere Verantwortung für die Gestaltung eines Rückzugs.
ZEIT: Welche Rückwirkungen wird dies auf Afghanistan haben – und damit auf deutsche Soldaten?

Steinmeier: Zweifellos hat die irakische Situation Einfluss auf Afghanistan, vermutlich ist die erhöhte Zahl von Selbstmordattentaten in Afghanistan auch eine Konsequenz der Auseinandersetzung im Irak. Trotzdem rate ich zur Vorsicht. Ich bezweifle, dass das Nachdenken über Rückzug im Irak notwendigerweise eine Ermutigung für die regierungsfeindlichen Kräfte in Afghanistan bedeuten muss. Viel wichtiger ist doch, wie entschlossen die internationale Staatengemeinschaft an ihrer Präsenz in Afghanistan festhält und möglicherweise sogar ihr Engagement zur Stabilisierung des Landes erhöht.

ZEIT: Das bedeutet: Wenn die Amerikaner rausgehen, müssen wir noch stärker reingehen?

Steinmeier: Ich habe von Engagement gesprochen. Das war nicht beschränkt aufs Militärische.

ZEIT: Die Propaganda der Dschihadisten wird sein: »Wir haben Irak befreit«. Und daraus folgt: Das muss in Afghanistan fortgesetzt werden.

Steinmeier: Es gibt nicht die Zwangsläufigkeit, die Sie mit Ihrer Frage unterstellen. Niemand kann es den Menschen hierzulande verdenken, dass sie fragen, welchen Umfangs, welcher Dauer unser Engagement in Afghanistan sein wird. Wir müssen immer wieder selbstkritisch überprüfen, wie weit wir mit unserem Engagement in Afghanistan gekommen sind. Gemessen an unseren übernommenen Selbstverpflichtungen, sage ich: Wir müssen eher mehr als weniger tun. Das gilt für den Auf- und Ausbau der afghanischen Polizei, in noch größerem Umfang aber für Ausbildung und Ausstattung der afghanischen Armee – und erst recht für den zivilen Wiederaufbau.

Interview: Brigitte Fehrle, Jörg Lau, Bernd Ulrich