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Weiter Streit um Wallraffs Rushdie-Lesung

 

Es geht weiter im Schlagabtausch zwischen DITIB und Günter Wallraff. DITIB versendet soeben die Presseerklärung, man führe schon

„seit knapp zwei Monaten … verschiedene Gespräche mit Günter Wallraff, um abzuwägen, inwieweit eine gemeinsame Veranstaltung zur Lesung der ‚Satanischen Verse‘ von Salman Rushdie sinnvoll sein könnte. Dabei prüfte die DITIB, ob eine solche Lesung tatsächlich einen wichtigen Diskussionsbeitrag zu den Themen Demokratieverständnis, Religionsfreiheit und Integration leisten kann. Die DITIB schlug vor, grundsätzlich eine Veranstaltungsreihe zu dem Thema ‚Islam, Demokratie und Integration‘ durchzuführen. Die Lesung hätte ein Programmpunkt sein können, bei dem Religions- und Literaturwissenschaftler offen über das Werk außerhalb des Moscheegeländes hätten diskutieren können. Günter Wallraff ist auf diesen Vorschlag nicht eingegangen und wollte kein gemeinsames Konzept mitgestalten. Durch seine Kompromisslosigkeit und sein mangelndes Verständnis für die Gefühle und Belange der muslimischen Gemeindemitglieder ist die DITIB als gesamte Organisation zu dem gestern veröffentlichten Ergebnis gekommen. Dazu beigetragen hat ebenfalls Wallraffs Aussage, er wolle nun den Präsidenten des Präsidiums für Religionsangelegenheiten in Ankara aufsuchen, um seine Idee doch noch zu verwirklichen. Die Entscheidung gegen die geplante Lesung basiert auf einer gemeinsamen Entscheidung der DITIB-Führung in Köln.

Im Rahmen einer demokratischen Meinungsbildung gehört es auch dazu, zu einem anderen Ergebnis kommen zu dürfen. Wallraffs These, die DITIB sei nur integrationsfähig, wenn sie eine Lesung durchführe, wie er sie sich vorstellt, ist anmaßend.“

Hat er diese These denn wirklich vorgebracht? Er hätte sich wohl kaum zu einer Mitarbeit im Moschee-Beirat bewegen lassen – und zu einer Unterstützung der Ehrenfelder Moscheebaupläne – , wenn er dieser angeblichen „These“ anhängen würde. Die Rushdie-Lesung ist nicht der ultimative Integrationstest, und es ist ein bisschen böswillig, das so hinzustellen.

Weiter heißt es:

„Geschäftsführung, Dialogabteilung und Vorstand sind sich einig gewesen, dass eine solche Veranstaltung nicht für die Integration der Muslime in Deutschland förderlich wäre. In einer Demokratie darf man auch zu dem Entschluss kommen, dass eine von einem prominenten Schriftsteller angefragte Veranstaltung nicht mit der religiösen Auffassung der Gemeinde zu vereinbaren ist.“

Letzteres ist völlig richtig. Es muss das Recht geben, eine solche Veranstaltung abzulehnen, ohne dass man gleich dafür verdammt wird. Aber den ersteren Satz hätte man gerne erklärt bekommen: Warum ist eine solche Lesung „nicht für die Integration der Muslime in Deutschland förderlich“?

Es leuchtet mir absolut nicht ein. Es ist eine Sache, die Lesung aus ästhetischen, religiösen oder sonstigen Gründen abzulehnen (oder einfach aus Unwillen, Konfliktscheu oder warum auch immer). Es ist eine andere Sache, dies mit unsinnigen Sätzen über „Integrationsförderlichkeit“ zu bemänteln.
Weiter heißt es:

„Wallraffs persönliche Attacke gegenüber Sadi Arslan, dem Präsidenten der DITIB, ist unverständlich und hat die DITIB bestürzt. Sadi Arslan wurde als Theologe und Botschaftsrat für religiöse Angelegenheiten von der DITIB zum Präsidenten gewählt. Er hat dieses Amt seit April 2007 inne. Seit diesem Zeitpunkt fördert er intensiv die Aktivitäten der DITIB in Fragen des interreligiösen Dialogs und der Integration. Wallraffs Reaktion ist wahrscheinlich Ergebnis seiner ‚maßlosen‘ Enttäuschung, seine persönlichen Ziele nicht erreicht zu haben.“

Diese Passage beruht auf folgendem Absatz aus dem Kölner Express:

„Auf Anfrage des EXPRESS zeigte sich Wallraff maßlos enttäuscht. ‚Sadi Arslan, der Chef der Ditib, ist ein Aufpasser, Wächter, Abschirmer im Auftrag des türkischen Staates. Er ist wohl eher ein türkischer Beamter, der sich wenig für die Integration seiner Organisation und der hier lebenden türkischen Muslime einsetzt‘, so Wallraff.

Aufgeben will der Kölner Schriftsteller aber nicht: ‚Ich bin Langstreckenläufer und Ausdauersportler‘, sagt er. ‚Ich werde in die Türkei reisen, um beim Chef der Religionsbehörde Überzeugungsarbeit zu leisten.'“

Für DITIB ist das Peinliche daran, dass wieder einmal die Abhängigkeit des Vereins von der türkischen Regierung deutlich wird. Sadi Arslan wurde „gewählt“, heißt es. Er wird gewählt, weil Ankara ihn geschickt hat, als Botschaftrat, der sich hier um religiöse Angelegenheiten kümmern soll. Jeder weiss das. Es ist peinlich, dies als demokratische „Wahl“ auszugeben.

Das ist eine historisch gewachsene Sache, für die man nicht nur den Türken die Schuld geben kann. Die deutsche Seite hat diesen Zustand hingenommen, wenn nicht befördert. Aber es kann einfach so nicht weitergehen. Die DITIB muss endlich eine deutsche Angelegenheit werden, wenn sie hier mit einer grossen Moschee in die Öffentlichkeit drängt. Sonst kann und wird es auf Dauer keine Akzeptanz geben. Das geht nicht von heute auf morgen, aber glaubhafte erste Schritte müssen jetzt gemacht werden.

Im übrigen: Eine Veranstaltung zu Salman Rushdie unter sichtbarer und offizieller Beteiligung von DITIB wäre auch ausserhalb der Moschee eine tolle Sache. Wallraff sollte diese Idee nicht wegen maximalistischer Forderungen fallen lassen.